Seepest
Außenthermometer vor dem Küchenfenster zeigte unglaubliche elf Grad plus.
Föhn!
Die allmorgendlichen Verrichtungen gingen ihm flott
von der Hand. Schon um Viertel nach sechs bestieg er sein Rad, und dreißig
Minuten später schloss er es gut gelaunt hinter der Polizeidirektion ab. Selbst
die Tatsache, dass er wegen der vergessenen Brezeln auf halber Höhe der Treppe
noch einmal umkehren musste, konnte sein Hochgefühl nur unwesentlich trüben.
Heute würden sie, das fühlte er, ein entscheidendes Stück weiterkommen, zumal
sich bei der »Lage« um acht bestimmt einige Wissenslücken schließen ließen.
Zunächst arbeitete er seine Post und die aufgelaufenen
E-Mails ab, dann tippte er seinen Bericht über die gestrigen Ermittlungen in
den Computer. Schließlich trudelten um Viertel vor acht die Kollegen im
Nebenzimmer ein.
Jo streckte kurz den Kopf durch die Tür. »Kaffee?«,
lautete ihr Morgengruß. Was für eine Frage!
Schlag acht versammelten sie sich um Wolfs Besprechungstisch,
mit Schreibzeug und reichlich Papier bewaffnet. Jo hatte eine Warmhaltekanne
mit frischem Kaffee in die Mitte gestellt, Wolf seine Tüte mit den
Butterbrezeln danebengelegt.
Beim Anblick der Brezeln bekam Terry große Augen. »Oh, thanks !«, sagte er grinsend und griff entschlossen
zu. Als Jo ihn tadelnd anblickte, meinte er nur achselzuckend: » Sorry , mein Frühstück ist heute ausgefallen.«
Kaum hatte Wolf seine Unterlagen geordnet und
probeweise an seiner Tasse genippt, da klopfte er auch schon ungeduldig mit der
Hand auf den Tisch. »So, Leute, wer fängt an?«
»Sie waren gestern Nachmittag doch noch in
Ludwigshafen. Wie wär’s, wenn Sie selbst den Anfang machen?«, schlug Jo ihm
vor.
»Na gut«, sagte Wolf mit verschlagenem Blick. »Unter
einer Bedingung: Du erzählst mir zuvor, zu welchen Erkenntnissen die KTU und die Gerichtsmedizin gekommen sind und was die
Fahndung nach Suhrbier gebracht hat.«
»So viel zum Thema ›Dynamische Mitarbeiterführung‹«,
maulte Jo verstimmt. Während sie noch ihren Papierstapel nach einer Akte
durchwühlte, reckte Terry die rechte Hand nach oben.
»Also ich könnte etwas zu der Handpumpe von dem
gesunkenen Boot beisteuern …«, meinte er zwischen zwei Bissen.
»Immer schön der Reihe nach«, wehrte Wolf ab und
wandte sich erneut an Jo: »Also?«
Inzwischen hatte Jo die Akte gefunden. Sie schlug eine
bestimmte Seite auf und platzierte sie vor Wolf.
»Das ist der Bericht der KTU .
Wirklich relevant für uns sind vor allem zwei Punkte. Der erste betrifft das
zertretene Handy – es gehörte Rolf Kauder. Leider war der Speicher völlig
hinüber, doch es ließ sich immerhin der Provider ermitteln. Hier ist die
Aufstellung der in den letzten beiden Tagen geführten Telefonate.«
»Sind die Gespräche und die Teilnehmer schon
überprüft?«
»Wann denn? Da hätten wir eine Nachtschicht einlegen
müssen, und ich hab eh schon mehr Überstunden, als ich jemals abfeiern kann.«
»Okay, war ‘ne blöde Frage, entschuldige bitte.«
Wolf vertiefte sich eine Weile in das Blatt. Insgesamt
waren elf Gespräche unter genauer Angabe von Nummer und Gesprächsdauer
aufgelistet.
»Na bitte, passt doch«, äußerte er hochzufrieden,
während er das Blatt an Jo zurückgab. Als die ihn nur verständnislos ansah, hob
er abwehrend die Hand. »Später. Was ist mit dem zweiten Punkt?«
»Er betrifft die in dem Mietwagen gesicherten Spuren.
Interessant ist hier vor allem eines: Die sichergestellten Waffen, Sie erinnern
sich …«
»Aber ja doch – eine Beretta und eine SIG Sauer«, bestätigte Wolf.
»Korrekt. Trotz der herausgeätzten Seriennummern
konnten sie zweifelsfrei einem Einbruch in ein Hamburger Waffengeschäft vor
knapp drei Wochen zugeordnet werden. Wegen näherer Angaben habe ich gestern
Abend die Kollegen in Hamburg angemailt, leider steht deren Antwort noch aus.«
»Was ist mit den Flugblättern?«
»Jede Menge Fingerabdrücke, aber keine Entsprechungen,
weder im LKA - noch im BKA -Register.
Andere Spuren Fehlanzeige. Was die Stimmanalyse des Anrufes angeht, der vom
›Seekurier‹ mitgeschnitten wurde: Die Stimme war verfremdet. Das Labor versucht
gerade, das ursprüngliche Stimmprofil herauszufiltern. Und ehe Sie mich nach
der Analyse des Sprengstoffs fragen, mit dem die ›Luisa‹ auf den Grund
geschickt wurde: Sie ist noch nicht abgeschlossen, das Analyseverfahren ist
sehr zeitaufwendig. Vermutlich stammt das Zeug aber aus Tschechien.«
»Gut. Bleibt noch
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