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Seepest

Seepest

Titel: Seepest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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du, Terry, fährst derweil nach Friedrichshafen.« Er sah kurz auf die
Uhr. »Ja, die Zeit reicht: Gegen vierzehn Uhr sollen die beiden Piloten am
Flughafen eintreffen. Nimm sie noch einmal gründlich in die Mangel – bin
gespannt, ob sie Rottmanns Angaben bestätigen. Und nimm dein Notebook mit – du
kriegst doch hoffentlich ein Phantombild hin?«
    »Phantombilder gehören gewissermaßen zu meinen
Kernkompetenzen – mit oder ohne Notebook«, gab Terry kichernd zurück. Und an Jo
gewandt fügte er hinzu: »Man kommt sich dabei … wie soll ich sagen? … ein
bisschen wie Gott vor – wenn du verstehst, was ich meine, liebe Kollegin.«
    »Jetzt spinnt er vollends.« Jo lachte lauthals auf und
tippte sich an die Stirn. Dann ging sie zur Tür. »Ich besorg uns schon mal
einen Dienstwagen, Chef. Wo geht’s eigentlich hin?«
    »Nach Bodman. Dort nehmen wir den Uferweg in Richtung
Marienschlucht.«
    Schon
von Sipplingen aus waren am Südufer wabernde Rauchschwaden zu erkennen. Dennoch
dauerte es noch eine gute halbe Stunde, bis sie den Überlinger See umfahren und
gleich hinter Bodmann den Uferweg erreicht hatten.
    Nach wenigen Metern kam ihnen dort ein Löschzug
entgegen, dicht gefolgt von einem Rettungswagen. Auf dem schmalen Weg hatte Jo
Mühe, an den Fahrzeugen vorbeizukommen. Wolf nutzte die Gelegenheit, sich im
Vorüberfahren kurz nach der Lage vor Ort zu erkundigen.
    »Wir sind raus, eure Kollegen von der Wapo haben den
Brand bereits gelöscht«, berichtete der Floriansjünger.
    Wenig später versperrte ein Streifenwagen die
Weiterfahrt: Sie hatten den gesuchten Ankerplatz erreicht. Die Jacht lag etwa
dreißig Meter querab, an den Längsseiten hatten zwei Polizeikreuzer
festgemacht. Ein am Ufer bereitliegendes Zodiac-Schlauchboot brachte sie
hinüber.
    Der Schiffsführer begrüßte sie mit einem freundlichen
Nicken. »Gut, dass ihr da seid. Der Fall gibt uns Rätsel auf.«
    »Ein etwas ungewöhnlicher Ankerplatz«, überlegte Wolf.
»Was treibt einen Skipper ausgerechnet hierher, noch dazu in dieser Jahreszeit?
Sind Menschen zu Schaden gekommen?«
    »Das ist ja das Komische: Uns wurde gesagt, eine Jacht
stünde in Flammen. Als wir ankamen, brannte der Kahn innen lichterloh, aber
niemand war zu sehen, weder hier an Bord noch am Ufer. Zunächst schien alles
viel schlimmer, als es tatsächlich war. Wir konnten das Feuer mit Bordmitteln
löschen. Zum Glück war die Kabinentür geschlossen, sodass die Flammen nicht
genügend Sauerstoff bekamen.«
    »Können wir rüber?«
    »Aber Vorsicht bitte. Ich geh mal voraus.« Mit einem
großen Schritt wechselten sie die Seiten.
    Das Innere der Kabine bot ein absolut uneinheitliches
Bild. Während Eingangsbereich und Pantry vom Feuer einigermaßen verschont
geblieben waren, wiesen der Schlafbereich und insbesondere die Nasszelle
erhebliche Zerstörungen auf, wobei nicht auf Anhieb zu erkennen war, was auf
das Konto des Feuers und was auf das der Löscharbeiten ging. Über allem lag ein
schmieriger Rußfilm, und es stank penetrant nach verbranntem Kunststoff.
    Vorsichtig bewegten sich Wolf und Jo durch die Kabine.
    »Wollt ihr die Spusi rufen?«, fragte der Schiffsführer
von der Tür her.
    »Schon geschehen«, beschied ihn Wolf und starrte
interessiert auf ein undefinierbares Knäuel am Boden, als Jo einen scharfen
Pfiff ausstieß.
    »Chef, kommen Sie mal?« Aufgeregt wies sie auf ein
zerknülltes Seidentuch in dezentem Streifendesign, das verdeckt in einer Nische
neben der Pantry lag. »Schauen Sie sich die eingestickten Initialen hier an …
klingelt da was bei Ihnen?«
    Wolf ging in die Knie, um das Corpus Delicti aus der
Nähe zu betrachten, wobei ihm fast das Barett vom Kopf gerutscht wäre.
    »Ein E und ein R«, quetschte er hervor, während er die
obligatorische Kopfbedeckung mit der Linken festhielt. »Fast zu schön, um wahr
zu sein!« Ächzend richtete er sich wieder auf. »Und schau mal dort am Boden …
passt das nicht wunderbar zusammen?«
    Ihre Euphorie hatte auch den Schiffsführer
herbeigelockt. Zusammen mit Jo starrte er auf das Knäuel am Boden.
    »Was soll das sein?«, fragte er verdutzt.
    »Ich tippe auf Klebeband.«
    »Klebeband? Was für Klebeband?«
    »Nun, Paketband eben. Wird in einschlägigen Kreisen
gerne zum Fesseln von Geiseln benutzt … davon hast du doch sicher schon gehört,
oder?«, frotzelte Wolf.
    »Wie … du meinst …«
    »Ja, ich bin mir ziemlich sicher! Die Länge der
Streifen, ihre gerollte Form, dazu die Art, wie man sie ab-

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