Seepest
irgendeinem Vorwand abzubrechen, ehe er
sich noch die Zunge verbrannte.
»Ich bin für so was die falsche Adresse, Jacques, tut
mir leid. Wie gesagt, du musst mit Leschek oder Alex sprechen. Wenn ich gewusst
hätte, um was es geht, hätte ich dir das gleich am Telefon gesagt.«
Studer tat, als hätte er die Antwort nicht gehört.
»Wenn Rottmann irgendetwas zustößt, trage ich die Schuld. Ich habe mich auf dem
Flughafen einfach dämlich benommen. Übertölpelt wie einen Anfänger haben sie
mich … ich kann’s immer noch nicht fassen!« Bekümmert schüttelte er den Kopf.
Da war es wieder, dieses Gutmenschentum, diesmal
angereichert mit Selbstmitleid. Oder war sein Getue nur eine Masche? Was, wenn
es Studer gar nicht um eine gemeinsame Strategie ging? Wenn er etwas ganz
anderes im Schilde führte? Aber was?
Inzwischen waren sie wieder bei ihren Wagen angelangt.
Hektisch löste der Glatzköpfige die Zentralverriegelung und war bereits im
nächsten Moment eingestiegen. Als die Wagentür zufiel, atmete er erleichtert
auf. Gerade noch mal gut gegangen, dachte er.
Und Studer? Der war einfach stehen geblieben und
starrte ihn durch die Scheibe hindurch unverwandt an, bis ein spöttisches
Lächeln über seine Gesichtszüge huschte.
Dieses Lächeln war es, was dem Glatzköpfigen die Augen
öffnete. Blitzartig wurde ihm der eigentliche Anlass der Zusammenkunft klar.
Wie kann man nur so blöd sein!, fluchte er innerlich. In Wirklichkeit war das
Gerede vom Bündeln der Kräfte nur ein Vorwand gewesen, ein Mittel zum Zweck –
zu dem Zweck nämlich, ihn von Rottmann und der Jacht bei Bodman wegzulocken.
Und er war arglos in die Falle getappt!
Verdammt, er hatte Studer sträflich unterschätzt!
Ziemlich sicher beschatteten ihn Studers Leute schon
seit Stunden.
Und vermutlich hatten sie Rottmann längst befreit.
Oh Gott, was war er doch für ein Riesenarschloch!
Doch für Selbstmitleid war keine Zeit, jetzt galt es
zu retten, was noch zu retten war. Fieberhaft suchte er nach einem Ausweg.
Sollte er Studer ausschalten … oder schnell zur Jacht zurückkehren? Er
entschied sich für Ersteres und griff heimlich nach dem kleinen Derringer, den
er am rechten Fußgelenk stets mit sich führte. Er wollte Studers überhebliches
Lächeln ausknipsen, ihn abknallen wie einen räudigen Hund – als der Hüne
überraschend an die Scheibe klopfte. Erschrocken fuhr der Glatzköpfige
zusammen. Mit zitternden Fingern kurbelte er das Fenster einen Spalt weit
herunter.
Es war das Letzte, was er in seinem Leben tat, denn
ganz plötzlich hatte Studer selbst eine Waffe in der Hand. Noch ehe der
Glatzköpfige reagieren konnte, steckte Studer den Lauf durch den Fensterspalt.
Als er abdrückte, war es, als würden tausend Sonnen explodieren: Im
Wageninneren wurde es gleißend hell, und ein Blitz jagte wie ein irrlichternder
Derwisch durch die Kabine, immer rauf und runter und rundherum, bis er nach
schier endlosen Sekunden mangels Sauerstoff erstickte und Qualm und Gestank aus
allen Ritzen quoll.
Vergeblich
versuchte Studer, einen Blick in das Wageninnere zu erhaschen. Es war nichts zu
erkennen. Achtlos warf er die großkalibrige Signalpistole auf den Boden und
stieg in seinen Wagen. Dort zog er die hautfarbenen Latexhandschuhe aus und
legte sie auf den Beifahrersitz. Er würde sie später in einen Gully werfen.
Dann fuhr er mit unbewegtem Gesicht davon.
***
Kaum
hatte sich die Tür hinter Karin Winter geschlossen, klopfte jemand dagegen. Es
war Jo.
»Denkst wohl, ich hätte euch vergessen?«, empfing er
sie murrend.
»Das würde ich nie annehmen, Chef. Nein, es geht um
etwas anderes: Da war ein Anruf für Sie, muss was Privates gewesen sein. Ein
Mann mit südbadischem Dialekt. Er wollte nur mit Ihnen sprechen.«
»Wie kommst du darauf, dass es etwas Privates gewesen
sein könnte?«
»Nun, der Mann hieß Wolf, genau wie Sie.«
»Wolf?«
»Ja. Ein Verwandter vielleicht? Oder haben Sie uns gar
einen Sohn verschwiegen?« Sie kicherte belustigt, wurde aber sofort wieder
ernst, als Wolf mit den Händen auf dem Rücken zum Fenser ging und mit
verschlossenem Gesicht zum Himmel aufblickte. »Äh … also, wir wären dann
bereit«, verabschiedete sie sich.
Als Wolf zwei Minuten später zu ihnen stieß, schien er
den Vorfall bereits vergessen zu haben. »Habt ihr Kaffee und vielleicht was zu
Futtern? Immerhin ist jetzt Mittagszeit«, meinte er und legte einen Stapel
Unterlagen auf den Tisch.
»Kaffee ja, Futter nein«, beschied ihn Jo und
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