Seepest
kein größeres Gewicht
beizumessen – vorerst wenigstens! Vermutlich würde ihn eine wortreiche
Verteidigung nur noch tiefer reinreiten. »Da sind Sie aber einer Ente
aufgesessen, mein Lieber«, winkte er lässig ab. »Bei dem angeführten Vorfall,
den ich keinesfalls in Abrede stellen will, handelte es sich in Wirklichkeit um
die Verfehlung eines unbotmäßigen Angestellten, von dem wir uns
zwischenzeitlich getrennt haben. Gegen den Mann wird polizeilich ermittelt.
Reicht Ihnen das?«
»Lassen wir’s dabei«, sagte Frutiger nach kurzem
Zögern. »Viel wichtiger ist die Frage, wie Sie unser gemeinsames Projekt
voranzubringen gedenken. Um es rundheraus zu sagen: Liegen wir noch innerhalb
des gesteckten Zeitrahmens?«
»Davon können Sie ausgehen. In einer knappen Stunde
hebt meine Maschine ab. Morgen früh werde ich vor Ort sein und die Sache selbst
in die Hand nehmen.«
»Sehr gut. Wann rechnen Sie mit einem Abschluss?«
»In längstens zwei Tagen.«
»Können wir davon ausgehen«, warf Tobler ein, »dass
Sie die einzelnen Stadien exakt dokumentieren?«
Alex setzte ein süffisantes Lächeln auf. »Das wird
kaum nötig sein, mein Lieber. Schalten Sie einfach Ihren Fernseher ein. Sie
wissen doch: Bilder sagen mehr als tausend Worte. Ich gebe Ihnen Brief und
Siegel, dass unser Projekt spätestens morgen Abend in aller Munde sein wird,
desgleichen die detaillierte Bewertung von FE .23. Vertrauen Sie einfach den internationalen Experten.« Und als ritte
ihn der Teufel, fügte er mit verbindlichem Lächeln hinzu: »Außerdem … wie ich
Sie kenne, haben Sie längst Ihre eigenen Leute vor Ort, geben Sie’s ruhig zu.
Ich kann Sie sogar verstehen. Bei einer Investition in der vereinbarten Höhe
geht man ungern ein Risiko ein, nicht wahr?«
Das Lächeln erwidernd, wechselten Tobler und Frutiger
erneut einen Blick, bevor sie das Notebook zusammenklappten und sich erhoben.
»Okay, Alex, dann sind Sie jetzt am Zug – viel
Erfolg!«, wünschte Beat Frutiger und verabschiedete sich. »Die Verträge liegen
unterschriftsreif in meinem Tresor.«
Auch der Anwalt drückte Alex die Hand und hielt sie
einige Sekunden länger fest als nötig. »Dieses Treffen hat nie stattgefunden,
sind wir uns da einig?«
»Ich weiß von keinem Treffen«, gab Alex lächelnd
zurück.
Als
Karin Winter die VIP -Lounge betrat und Alex
Rottmann im Gespräch mit zwei Männern sah, stellte sie ihren Trolley ab, zog
unauffällig ihr Handy aus der Tasche und schoss ein paar Bilder – schließlich
konnte man nie wissen!
Danach ließ sie sich an einem freien Tisch am anderen Ende
des Raumes nieder. Sie winkte dem Kellner, um einen Kaffee zu ordern – wer
konnte schon wissen, wie lange die da drüben noch zu quatschen gedachten? Doch
noch ehe sie ihre Bestellung aufgeben konnte, verabschiedeten sich die beiden
Männer, und Alex marschierte zur Theke. Nachdem er ein paar Worte mit dem
Barkeeper gewechselt hatte, goss dieser aus einer Kognakflasche einen Doppelten
in einen Schwenker. Alex kippte den Drink hinunter und marschierte wieder an
seinen Platz zurück.
Sieh an, dachte Karin – hat da jemand seinen Frust
hinuntergespült? Oder etwas gefeiert? Na ja, sie würde es herausbekommen, der
bevorstehende Flug war lang genug. Sie griff nach ihrem Trolley und ging zu ihm
rüber.
Als Alex sie näher kommen hörte, hob er den Kopf und
blickte ihr misstrauisch entgegen. »Oh, ich hab dich gar nicht kommen sehen –
bist du schon länger da?«
»Nein, eben erst gekommen«, log sie und setzte sich
ihm gegenüber. Er schien erleichtert aufzuatmen. Als er sie zur Begrüßung auf
die Wangen küsste, rümpfte sie die Nase. »Puh, du hast eine Fahne!«, bemerkte
sie und schob ihn von sich. »Ein Glück, dass du nicht selbst hinter dem
Steuerknüppel sitzt.«
»Wie könnte ich, ich muss mich doch während des Fluges
meines Gastes annehmen«, sagte er grinsend.
»Untersteh dich, ich habe zu arbeiten; schließlich
flieg ich nicht zu meinem Vergnügen mit.«
»Na gut, schlaf ich eben allein!«, entgegnete er
scheinbar resigniert und zog sein Handy heraus. »Wollen mal sehen, ob die
Herren Piloten ihre Vorbereitungen schon abgeschlossen haben. Oder spricht
etwas dagegen, dass wir früher starten?«
***
Nur
wenige hundert Meter über der nachtschwarzen Costa da Morte – auf gut Deutsch:
der »Todesküste« – setzte die Hawker zwei Stunden später zur Landung an. Wegen
der ablandigen Winde hatte der Anflug aus Westen erfolgen müssen. Der Pilot
hatte die
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