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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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nicht zu vergessen, Ihr Vorstrafenregister – was sollte Ihr Anwalt dagegen ausrichten können?«
    Balakow hob den Kopf; ein zaghaftes Lächeln schlich sich in sein feistes Gesicht. »Auf die Spurenauswertung bin ich gespannt, meine Herren. Falls da kein Schmu gemacht wird, bin ich nämlich aus dem Schneider. Ja, ich gebe zu, wir haben vor Hauschilds Haus gestanden. Wollten ihn an seine Schulden erinnern. Aber dort war bereits alles voller Bullen. Also sind wir wieder weggefahren. Zu diesem Zeitpunkt muss Hauschild bereits tot gewesen sein.«
    »Sie sagten eben ›wir‹. ›Wir haben vor Hauschilds Haus gestanden.‹ Also waren Sie nicht allein?«
    »Richtig, Herr Kommissar.« Der Riese blühte förmlich auf. »Buddy saß neben mir. Das ist mein Partner. Und mein Zeuge. Fragen Sie ihn, er wird Ihnen alles bestätigen.«
    Wolf nickte. »Das haben wir schon. Zu meinem Bedauern hat er tatsächlich dieselbe Geschichte erzählt. Womit Sie allerdings nicht aus dem Schneider sind, denn über den Mord an dem Besitzer der ›Roxy-Bar‹ müssen wir uns auch noch unterhalten. Für heute aber war’s das erst mal.« An den Uniformierten gewandt fügte er hinzu: »Du kannst ihn wieder zurückbringen.«
    Kaum war Balakow verschwunden, sprang Vespermann auf. »Das kann doch nicht dein Ernst sein, Leo. Wieso brichst du die Vernehmung ab? Wir hatten ihn fast schon weichgekocht.«
    Wolf, mit dem Aufnehmen seiner Unterlagen beschäftigt, hob den Kopf und sah Vespermann in die Augen. »Gerd, jetzt hör mir mal zu. Balakow ist alles andere als ein Musterknabe, aber er ist kein Mörder – und schon gar nicht der Mörder der drei Banker. Ihn in dieser Sache länger in die Mangel zu nehmen, hätte uns nur einen Rüffel vom Staatsanwalt eingetragen – von einer Beschwerde durch Balakows Anwalt einmal ganz abgesehen. Außerdem hat Buddy seine Geschichte zumindest teilweise bestätigt.«
    Ehe Vespermann antworten konnte, klopfte es an der Tür. Auf Wolfs »Herein« erschien eine aufgelöste Jo.
    »Chef, es gibt Neuigkeiten«, platzte sie heraus.
    ***
    Langsam kehrte Karin in die Wirklichkeit zurück.
    Die Wirklichkeit? Welche Wirklichkeit denn?
    Seit sie aus dem dumpfen, beklemmenden, von Schmerzen durchwaberten Dunkel erwacht war, seit sie aus trüben Augen ins Helle starrte, während alles rings um sie herum durcheinanderwirbelte und in Nebeln zerbarst – seitdem fragte sie sich, was mit ihr geschehen war.
    Wo war sie? Wie war sie hierhergekommen? Was hatte man mit ihr angestellt?
    Zaghaft versuchte sie, den Kopf zu drehen, doch ein zuckender Schmerz ließ sie die Augen schließen. Sie war kurz vor dem Erbrechen, und der bittere Geschmack in ihrem Mund wollte nicht weichen. Erst als sie nach einer Weile erneut die Augen öffnete, begannen die wabernden Schleier sich langsam aufzulösen, festen Konturen zu weichen, Gestalt anzunehmen.
    Nur am Rande nahm sie wahr, dass sie auf einer harten Liege lag, lang ausgestreckt, die Glieder wie Blei. Dicht neben der Liege stand ein rostiger Eimer. Die Decke des Raumes bestand aus ungehobelten Brettern. An der linken Wand erkannte sie ein Fenster; die Scheiben waren vom aufgewirbelten Staub fast blind. Im Hintergrund, nur verschwommen sichtbar, wild wucherndes Gesträuch, darüber ein Zipfelchen blauer Himmel. Gegenüber dem Fenster befand sich eine Tür. Das Wenige, was an Einrichtung im Raum war, wirkte kärglich, abgewohnt, wie aus einem anderen Jahrhundert.
    Irgendwann fühlte sie sich stark genug, um sich aufzurichten, doch da war etwas, was sie unten hielt. Zwar waren die Arme frei, desgleichen ihr linker Fuß – doch beim rechten war ihr, als lasteten Gewichte auf ihm. Sie sah an sich herab und erkannte die Ursache: Oberhalb des Knöchels umspannte ein Metallring ihren Fuß. Er war mit einer Kette am Stahlrahmen der Liege festgemacht.
    Nein, nicht Kette und Ring hingen an der Liege – sondern sie selbst! Ihr Bewegungsspielraum erlaubte ihr allenfalls, den Eimer zu benutzen, um gegebenenfalls ihre Notdurft zu verrichten.
    Wie benommen sank sie auf die Unterlage zurück. Jetzt erst erkannte sie ihre aussichtslose Lage. Ganz sicher hatte man ihr ein starkes Sedativum verabreicht, um sie gefügig zu machen. Das würde auch die Ausfallerscheinungen erklären. Die Kopf- und Magenschmerzen. Und den quälenden Durst.
    Wie viele Stunden mochte sie hier schon zugebracht haben? Sie wollte auf die Uhr sehen, doch die hatte man ihr abgenommen. Umso erdrückender empfand sie die Stille, die um sie

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