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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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das hab ich anders aufgefasst. – Aber nein, wir haben die Lage durchaus im Griff. Leider können wir nur sehr zurückhaltend agieren, um Grabert nicht zu gefährden. Trotzdem, die beiden Kidnapper sitzen in der Falle, es ist nur eine Frage der Zeit. – Wie’s Grabert geht? Also Chef, um Grabert mach ich mir die geringsten Sorgen. Die werden sich hüten, dem was anzutun. Würden sich ja schließlich ins eigene Fleisch schneiden. – Okay, hab verstanden, alle zehn Minuten Lagemeldung. In ein, zwei Stunden ist die Sache ohnehin gegessen, dann sind die beiden soo klein mit Hut.« Er machte mit der freien Hand ein entsprechendes Zeichen.
    »Ich will mich wirklich nicht einmischen«, sagte Wolf, als Scharf die Aus-Taste gedrückt hatte, »aber für mich stellt sich die Lage nicht ganz so rosig dar. Ich kenne Bullock, das ist ein raffinierter Hund.«
    »Na und? Auch Bullock kocht nur mit Wasser, ganz zu schweigen von seinem Schatten, diesem Itaker da. Du denkst, die sitzen da drüben und machen einen auf starker Mann, was? Von wegen. Denen geht der Arsch ganz schön auf Grundeis, so sieht’s aus. Weil ich sie mir nämlich schnappen werde.«
    In diesem Augenblick kehrte Vespermann zurück, einen Zettel in der einen und eine gebogene Eisenstange in der anderen Hand. Mit undurchdringlichem Gesicht reichte er Wolf den Zettel. Der warf einen kurzen Blick darauf, bevor er seinen Blick erneut auf Scharf richtete. »Ruf sofort Bullock an«, verlangte er.
    »Hör mal, du hast mir keine Befehle zu erteilen. So weit kommt’s noch, mein Lieber.«
    Wolf hatte mit dieser Reaktion gerechnet. Er nahm sein eigenes Handy und tippte eine Nummer ein. Gleichzeitig aktivierte er den Lautsprecher, sodass die Umstehenden mithören konnten. Es knarrte in der Leitung, dann rief jemand »Ja?«
    »Na, Sam, du Schlaumeier, kennst du mich noch? Ich darf doch Sam sagen, oder? Hier spricht Wolf, Hauptkommissar Wolf aus Überlingen. Du erinnerst dich?«
    »Wolf?«, antwortete eine raue Stimme. »Ja, verdammich, wie könnte ich diesen Namen je vergessen? Was wollen Sie?«
    »Fragen, wie’s deiner Geisel geht.«
    »Oh, danke der Nachfrage. Grabert geht es prächtig.«
    »Sehe ich auch so. Wir haben ihn nämlich rausgeholt.«
    Schweigen. Bis Bullock hastig und mit hoher Stimme fragte: »Ihr habt was?«
    »Du hast schon verstanden. Wir haben ihn rausgeholt. Auf gut Deutsch: Wir haben eure Geisel zwischenzeitlich befreit.«
    Abermals hörten sie am anderen Ende der Leitung nur Schweigen.
    »Ihr wolltet uns weismachen, ihr würdet da drüben in Graberts Kabuff sitzen, was? Für wie blöd haltet ihr uns eigentlich?«
    Schweigen.
    »Leider seid ihr uns vorerst durch die Lappen gegangen. Aber keine Sorge, Sam, wir fangen euch bald wieder ein.«
    »Na, dann sucht mal schön.«
    »Das tun wir, Sam, das tun wir, verlass dich drauf. Du würdest staunen, wenn du wüsstest, wie nahe wir dir bereits sind.«
    »So? Na, wo sind wir denn?«
    »Nun, wie ich die Mainaustraße kenne, führt sie direkt zur Fähre. Hast wohl Heimweh nach Überlingen, was?«
    »Verfluchte Scheiße«, kam es tonlos zurück. Dann war die Leitung tot.
    ***
    Welch seltsame Duplizität der Ereignisse: Wo sich Karin Winter zuvor behutsam ihrem Zielobjekt genähert hatte – einem älteren, in die Jahre gekommenen Haus in der Calle San Miguel –, patrouillierte kaum einen Tag später ein gänzlich unauffällig wirkender Mann auf und ab. Immer wieder blieb er wie beiläufig an einem Souvenirgeschäft hängen, dessen Besitzer vor seinem Laden mehrere drehbare Ständer mit bunten Ansichtskarten aufgebaut hatte.
    Diese Ständer boten sich als hochwillkommene Deckung an, denn selbstredend galt die Aufmerksamkeit des Mannes dem schräg gegenüberliegenden Haus. Über der Eingangstür stand die Nummer 23. Die darunter liegende Haustür, da war sich der Mann sicher, hatte seit seinem Hiersein niemand passiert. Offenbar hatten die  G.E.T. -Leute die Wahrheit gesagt, als sie behaupteten, sie hätten keinen Publikumsverkehr.
    Er zog ein Smartphone aus der Jackentasche und wählte eine Nummer. Nach kurzer Wartezeit sprach er mit halblauter Stimme einen einzigen Satz: »Objekt-Observierung um dreizehn Uhr dreißig Ortszeit, keine besonderen Vorkommnisse.« Gleich darauf hatte er die Verbindung wieder unterbrochen.
    Immer wieder ordnete Henning sich in den Passantenstrom ein und ging ein kurzes Stück die Straße hinunter, wenn auch nicht allzu weit, um das fragliche Haus nicht aus den Augen zu

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