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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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hinters Steuer und nahm die Verfolgung auf. Doch schon nach wenigen Metern trat er heftig auf die Bremse – ein umständlich rangierender Lieferwagen verhinderte die Weiterfahrt.
    Bis der Fahrer das Manöver endlich abgeschlossen hatte, befürchtete Henning, dass die eben erst eingeleitete Verfolgung bereits zu Ende sein würde. Wie hätte er den Vorsprung des Rangers jemals aufholen sollen?
    Als die Fahrbahn wieder frei war, fiel Hennings Blick jedoch erneut auf den roten Ranger. Auch Alvarez hatte, nur einen Steinwurf voraus, einen unfreiwilligen Aufenthalt hinnehmen müssen. Anders als bei Henning war die Ursache bei ihm jedoch ein Müllauto gewesen, das in diesem Augenblick in eine Seitenstraße abbog.
    Erleichtert schloss Henning zu dem Wagen auf. Sie fuhren die Calle San Miguel entlang. An deren Ende setzte Alvarez den Blinker und bog halblinks ab. Immer wieder von kurzen Staus und Ampelstopps unterbrochen, ging es anschließend in nördlicher Richtung weiter.
    Schon bald hatte Henning jede Orientierung verloren. Erst als die nördlichen Vororte hinter ihnen lagen und sie schließlich die als »Circunvalación« ausgeschilderte Autobahn erreicht hatten, die in weitem Bogen die Hauptstadt umfuhr, wusste er wieder ungefähr, wo er sich befand. Alvarez’ Ziel, so viel war sicher, musste im Inselinneren liegen.
    Eine Viertelstunde später setzte Alvarez erneut den Blinker und verließ bei der Ausfahrt Génova die Autobahn. Von nun an ging es auf kurvigen Landstraßen weiter, immer in Richtung Westen, auf die Tramontana-Berge zu.
    Währenddessen wurde die Lage für Henning von Minute zu Minute prekärer. Nicht mehr lange, und er würde die Verfolgung abbrechen müssen. Nach einem Blick auf die Uhr gab er sich längstens noch eine halbe Stunde; falls Alvarez bis dahin sein Ziel nicht erreicht haben sollte, würde er umkehren müssen, sonst riskierte er, in der Calle San Miguel vor verschlossenen Türen zu stehen.
    Ein Schild mit der Aufschrift »Col de la Creu« flog vorüber. Henning kannte den Pass, vor ein paar Jahren hatte er die Gegend wandernd durchstreift. Er schätzte die Entfernung bis zur Passhöhe auf sechs oder sieben Kilometer.
    Bereits nach der Hälfte der stetig bergauf führenden Strecke blinkte Alvarez erneut, bevor er überraschend auf einen schmalen, unbefestigten Fahrweg einschwenkte. Henning, wegen des schwächer gewordenen Verkehrs zunehmend auf Abstand bedacht, ließ sich weiter zurückfallen, stoppte den Seat kurz nach der Abzweigung und stieg aus.
    Von der Anhöhe aus beobachtete er Alvarez’ Wagen. Der folgte, eine mächtige Staubwolke hinter sich herziehend, zunächst einen knappen Kilometer weit dem gewundenen Fahrweg, bis dieser schließlich bei einem von schütteren Bäumen umstandenen Anwesen endete. Nach Hennings Einschätzung musste es sich um eine schon vor Langem aufgelassene Finca handeln, von deren einstiger Blüte nicht mehr viel übrig geblieben war. Ein Wohnhaus, Stallungen, Lagerschuppen. Selbst aus größerer Entfernung waren die staubblinden Fensterscheiben und die bröckelnden Fassaden zu erkennen, ganz zu schweigen von den mit wildem Gesträuch überwucherten Flächen rings um die Gebäude.
    Was hatte Alvarez an diesem Ort zu schaffen, in diesem Niemandsland, fernab jeder menschlichen Siedlung?
    Während Henning eine Flasche Mineralwasser aus dem Wagen holte und trank, spukte ein sich langsam festsetzender Gedanke durch seinen Kopf. Konnte es sein, dass das Gemäuer Alvarez als Gefängnis diente? Als Karin Winters Gefängnis? Einiges sprach dafür.
    Der Gedanke hatte etwas Beängstigendes, aber auch etwas Tröstliches, denn wenn er recht hatte, wäre sie wenigstens am Leben.
    Während er noch fieberhaft überlegte, wie er sich dem Anwesen ungesehen nähern könnte, sah er Alvarez bereits wieder aus dem Wohngebäude kommen und zu seinem Wagen gehen. Gleich darauf fuhr er denselben Weg zurück, den er gekommen war.
    Henning beeilte sich, die Flasche im Wagen zu verstauen und sich hinter das Steuer zu setzen. Wenn Alvarez, wie anzunehmen war, jetzt nach Palma zurückkehrte, dann blieb ihm genügend Zeit, seinen Verdacht zu überprüfen. Jetzt musste er aber erst einmal ein Stück weit die Straße hinauffahren, um von Alvarez nicht entdeckt zu werden.
    Als er den Motor wieder ausgeschaltet hatte, holte er sein Handy hervor, um eine Nachricht abzusetzen. Sie endete mit den Sätzen: »Ich melde mich von nun an alle zehn Minuten. Sobald mein Anruf ausbleibt, solltet ihr die 

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