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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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weniger als sechs Polizeifahrzeuge umstanden dicht an dicht und mit zuckenden Blaulichtern das Verwaltungsgebäude, dahinter, geduckt, Kollegen mit entsicherten Waffen. Ihre Aufmerksamkeit galt vor allem dem Haupttor und zwei kleineren Ausgängen sowie den unvergitterten Fenstern der beiden oberen Etagen. Das gesamte Areal war weiträumig abgesperrt worden.
    Noch vor der Absperrung stellte Vespermann ihren Dienstwagen ab. Sie schlüpften unter dem Flatterband hindurch und steuerten die bewachte Eingangstür an. Der davorstehende Uniformierte tippte grüßend an seine Mütze und ließ sie wortlos passieren. Im Vorbeigehen flüsterte Wolf ihm zu: »Wie gesagt, von mir erfährt keiner was.«
    Meerkatz nickte. Er verkniff sich ein Grinsen.
    Über das Treppenhaus stiegen sie ungehindert in den ersten Stock hinauf, in dem an stinknormalen Tagen die Anstaltsleitung residierte. Heute jedoch war hier überhaupt nichts normal, ganz im Gegenteil, es war der Teufel los! Besser gesagt  zwei  Teufel, nämlich Bullock und Maroni.
    Wolf rief sich Bullocks Vita in Erinnerung: Mitglied einer rechtsextremistischen Vereinigung, Mord an vier Türken und einem Moldawier, dazu mehrere Raubüberfälle, zwei Totschlagdelikte, schwere Körperverletzung – von den kleineren Straftaten wie Diebstählen und Unterschlagungen gar nicht zu reden. Maronis Strafregister las sich ähnlich spektakulär, wenn auch mit deutlich geringerer Gewaltbereitschaft.
    Und in den Händen dieser beiden Gangster lag Graberts Schicksal.
    Wolf schüttelte die lähmenden Gedanken ab und versuchte, sich auf das Bild, das sich ihm bot, zu konzentrieren.
    Graberts Büro lag am Ende des Flurs auf der linken Seite. Im Gegensatz zu den fünf anderen Räumen war seine Tür geschlossen. Rechts und links der Tür pressten sich je zwei Uniformierte an die Wand, alle vier in durchschusssicheren Westen, die entsicherte Waffe in der Hand. Ansonsten war die Etage menschenleer – nur aus einem größeren Raum zur Rechten drang das Gemurmel mehrerer Männer. Dazwischen eine Wolf bekannte Stimme, die in ein Telefon brüllte.
    »Hallo. Haalloo. So meldet euch endlich!«
    Kollege Scharf, Wolf von ein paar gemeinsamen Einsätzen her zur Genüge bekannt, schien ganz in seinem Element zu sein. Als er Wolf und Vespermann erblickte, ließ er das Handy sinken, mit spöttischem Unterton bemerkte er: »Sieh an, sieh an, die Kollegen aus Überlingen. Darf man fragen, was ihr hier zu suchen habt?«
    Seine vier Kollegen spitzten neugierig die Ohren. Im Unterschied zu den Beamten vor Graberts Tür waren sie zivil gekleidet, gehörten also zur Konstanzer Kriminalpolizei; zwei von ihnen kannte Wolf flüchtig.
    »Wir wollten zu Grabert, es geht um eine Aussage. Was ist hier eigentlich los?«
    »Nichts, womit wir nicht fertig würden. In welcher Sache sollte Grabert für euch aussagen?«
    »Es geht um Keller und zwei seiner Häftlinge. Wo ist Grabert überhaupt?«
    Scharf wies auf die Tür mit den vier schussbereiten Beamten. »In seinem Büro, wo sonst?«, blaffte er. Nach kurzer Pause fügte er hinzu: »Kannst ja nachsehen – aber lass dir zuvor eine schusssichere Weste verpassen.«
    Als hätte Scharfs Antwort ein geheimes Codewort enthalten, schrillte in diesem Augenblick sein Mobiltelefon. Verblüfft fixierte er das Gerät in seiner Hand, bevor er den Umstehenden mit einer Handbewegung gebot, sich ruhig zu verhalten. Dann drückte er die Verbindungstaste.
    »Ja, ich höre«, bellte er mit Stentorstimme, die linke Hand auf das freie Ohr gepresst. Zu Wolfs Erstaunen wirkte der Mann plötzlich hochkonzentriert. Dieser Zustand hielt jedoch nicht lange an, bald bildeten sich zwischen seinen Brauen steile Falten. Wie es schien, war die Mitteilung des Anrufers nicht wie erwartet ausgefallen. »Wie kommt ihr darauf? – Nein, hier wird nichts verschleppt, es ist alles am Laufen. – Nun, ein bisschen Zeit müsst ihr uns schon lassen, wir können den verlangten Hubschrauber schließlich nicht herbeihexen …«
    Mit zunehmender Gesprächsdauer wurde Scharfs Gesicht rot und immer röter, sein linker Arm fuhr rhythmisch auf und ab. »Ich verstehe die Frage nicht. Natürlich habe ich eure Forderung umgehend weitergeleitet. – Jawohl, ich bin durchaus ermächtigt. – Also gut, ich werde mit meinen Vorgesetzten Rücksprache halten. Ich rufe euch wieder … Hallo? Hallo?« Ungläubig starrte Scharf auf das Display seines Handys, bevor er den Kopf hob und sich an die Runde wandte. »Das gibt’s doch

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