Seerache
Stimme. »Ich weiß«, rief er ihm zu, »dass Sie da oben sind, wer immer Sie auch sein mögen. Sie haben die Wahl. Entweder, Sie kommen freiwillig herunter, oder Diablo wird Sie mir bringen. Dann allerdings kann ich nicht mehr für Ihre körperliche Unversehrtheit garantieren. Haben Sie mich verstanden?«
Hennings Gedanken rasten.
Egal, was er tat, dieser Alvarez saß am längeren Hebel. Er hatte nicht nur den Hund. Garantiert hatte er auch eine Waffe. Wenn er lebend hier herauskommen wollte, dann musste er die Flucht nach vorne antreten.
Alvarez’ Worte waren kaum verhallt, da riss Henning provozierend den linken Arm nach oben. Er wusste, auf den Köter wirkte das wie ein Schlüsselreiz. Im Bruchteil einer Sekunde hob das Tier vom Boden ab, flog auf Henning zu und schnappte nach dessen linkem Arm.
Diesen Ablauf hatte Henning vorausgesehen. Nicht so der Hund. Wider Erwarten fanden seine Hinterläufe keinen Halt, trotz seines weiten Satzes war er zu kurz gesprungen. Es schien, als hätte seine Mordlust die Öffnung im Boden ausgeblendet. Genau darauf hatte Henning spekuliert. Einen kurzen Moment lang schwebte Diablo zwischen Himmel und Erde, bevor er, hoch jaulend und mit den Läufen rudernd, in der Tiefe verschwand. Um ein Haar hätte er Henning mit hinabgerissen.
Von einem spitzen Schrei von Karin Winter begleitet, schlug der Hund mit dem Kopf voraus auf dem Boden auf, wo er regungslos liegen blieb – vermutlich hatte er sich das Genick gebrochen.
»Diablo, was ist?«, rief Alvarez beunruhigt und beugte sich über den toten Hund.
Kurz entschlossen riss Henning die Jacke vom seinem Arm. Er machte einen Schritt nach vorne und ließ sich fallen. Unter dem plötzlichen Aufprall brach Alvarez zusammen, bäuchlings lag er auf seinem Hund. Sofort griff Henning ihm ihn die Haare und riss seinen Kopf nach hinten, während er ihn mit der Linken nach Waffen abtastete. Und tatsächlich: Aus einem Holster unter der Achsel zog er eine Glock hervor.
Er reichte die Waffe an Karin Winter weiter, die sich in der Zwischenzeit aufgerichtet hatte. »Hier. Können Sie mit so einem Ding umgehen, Frau Winter?«
»Nein, ich hab noch nie geschossen, wenn Sie das meinen«, antwortete sie, mit spitzen Fingern die Pistole haltend. Dennoch machte sie den Eindruck, als sei eine Riesenlast von ihr gefallen. Befreit lächelte sie ihm zu. »Entschuldigen Sie, Herr Wolf, wenn ich Sie nicht gleich erkannt habe, aber die Umstände … Sie wissen schon. Sieht übrigens ganz so aus, als wäre Ihr Plan aufgegangen. Oh, was ist mit Ihrem Arm? Der blutet ja. Zeigen Sie mal her.«
Ihr Blick ging plötzlich an ihm vorbei, und ihre Augen weiteten sich. In Hennings Rücken erklang eine kalte Stimme.
»So, Schluss jetzt mit der Plauderei. Gib meinen Partner frei, aber ein bisschen plötzlich, bitte.«
Während Henning langsam die Hände hob und sich vorsichtig aufrichtete, fiel Karin vor Schreck die Glock aus der Hand. Henning drehte sich um und stand Alvarez’ Partner gegenüber. Er war sicher, diesen Mann noch nie gesehen zu haben. Seine Statur und seine Mimik, vor allem aber die entsicherte Waffe in seiner Hand, ließen es geraten erscheinen, seine Befehle umgehend zu befolgen.
Alvarez’ Partner streckte die Hand aus. »Darf ich um die Waffe bitten, Señora?« Mit versteinerter Miene kam Karin seiner »Bitte« nach.
Mittlerweile hatte sich Alvarez ebenfalls aufgerichtet. Wie nicht anders zu erwarten war, galt sein erster Griff der Glock. Mit finsterer Miene blickte er auf Henning. »Das wird noch ein Nachspiel haben«, sagte er gefährlich ruhig. Sein Gesicht verzog sich zu einem hämischen Grinsen. »Du wirst als Erster meinem Diablo in die ewigen Jagdgründe folgen, das versprech ich dir.«
In diesem Augenblick war das näher kommende Heulen von Polizeisirenen zu vernehmen. Überrascht rannte Alvarez’ Partner zur Tür. »Wieso interessieren sich plötzlich die Bullen für diesen gottverlassenen Ort?«, rief er im Hinauseilen.
Auch Alvarez schien wie vom Donner gerührt. Mit vorgehaltener Waffe hielt er Henning in Schach. »Mach dir keine falschen Hoffnungen, mein Freund. Die ziehen gleich wieder ab. Wenn nicht, helfen wir eben ein bisschen nach.« Er rieb Daumen und Zeigefinger aneinander.
Dann flackerte auch schon blaues Blinklicht durch den Raum. Ein Polizeiwagen war vor dem Fenster zum Stehen gekommen, auch von der Eingangsseite her war Türenklatschen zu vernehmen. Kommandos erschallten, dann splitterte Glas. Die halb blinde
Weitere Kostenlose Bücher