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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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erwischt. Sie sind gerade noch rechtzeitig gekommen, um …«
    »Ja, ja, schon gut«, winkte der Beamte ab und warf hastig einen Blick auf die Papiere, ehe er sie zurückgab. »Erzählen Sie das unseren Kollegen, die müssen jeden Moment hier eintreffen.« Er machte kein Hehl daraus, dass ihn die Geschichte nicht sonderlich interessierte.
    »Ja, aber … ich dachte …«, erwiderte Sahin verdutzt.
    »Wir sind zu einem anderen Einsatz unterwegs. Schwerer Verkehrsunfall auf der B31 zwischen Immenstaad und Hagnau, zwei Tote.«
    Diese Mitteilung verschlug Sahin fast die Sprache. »Moment mal … das heißt, wenn Sie nicht zufällig zu diesem Unfall gerufen worden wären …« Er verstummte abrupt, dann begann er laut zu lachen. Irritiert sah der Polizist ihn an.
    »Los, Erich, wir müssen«, drängte dessen jüngerer Kollege.
    »Am Fahrzeug alles klar?«, fragte Erich und wies auf den Cayenne.
    »Ja. Keine weiteren Insassen. Die Karre allerdings dürfte nur noch Schrottwert haben.«
    Aus Richtung Markdorf erklang erneut Sirenengeheul. Es hörte sich nach mehreren Fahrzeugen an.
    »Das sind die Kollegen, vermutlich mit dem Notarzt. Bitte rühren Sie sich nicht von der Stelle, die sind gleich hier.«
    »Ich glaub’s nicht … nein, das glaub ich jetzt nicht …« Die beiden Polizisten waren weitergefahren, da schlackerten Sahin noch immer die Knie. Kopfschüttelnd setzte er sich auf den Boden. Plötzlich sah er alles glasklar vor sich. Die Polizei war durch einen Verkehrsunfall aufgescheucht worden – und er hatte sich eingebildet, die seien zu seiner Befreiung unterwegs!
    Nicht auszudenken, wie die Sache ausgegangen wäre, hätte der Kidnapper nicht die Nerven verloren und die Fahrt gewaltsam abgebrochen. Im Grunde verdankte er sein Leben zwei Unfalltoten.
    Was für eine verrückte Welt!

6
    Montagmorgen, wenige Minuten vor sieben. Noch war der Parkplatz hinter der Polizeidirektion so gut wie leer. Leicht außer Atem stieg Wolf von seinem Fahrrad; offenbar war er doch etwas zu stramm gefahren. Dann schob er den Drahtesel zum Hintereingang.
    Eigentlich hatte er allen Grund, sich auf die vor ihm liegende Woche zu freuen – trotz der Turbulenzen, die am Samstag auf ihn eingestürmt waren. Nicht nur, dass er den Zeppelinflug mit Bravour gemeistert hatte; auch die beiden Unfälle am Wochenende waren so gut wie abgehakt. Da hatten sie wirklich Glück gehabt. Paralleles Arbeiten an mehreren Fällen mochte Wolf nämlich gar nicht. Außerdem hatte der Kriminalrat ihnen seit Langem personelle Verstärkung versprochen, wofür sich ebenfalls eine Lösung abzuzeichnen schien – zumindest hatte er Sommer letzte Woche so verstanden. Jeder wusste: Mit nur zwei Ermittlern war das erste Dezernat hoffnungslos unterbesetzt.
    So gesehen hätte der Start in die neue Woche unter keinem besseren Stern stehen können. Blieb abzuwarten, welche Knüppel man ihm heute zwischen die Beine werfen würde.
    Mit geübten Griffen legte er seinen Drahtesel an die Kette, bevor er den zweiten Stock erklomm, in dem sich die Büros des D1 befanden. Eine knappe Stunde würde er ungestört arbeiten können, länger nicht. Wenn erst mal die Kollegen anrückten, war nämlich Schluss damit; spätestens dann glich das Haus einem summenden Bienenstock.
    Doch kaum hatte er die letzten Stufen hinter sich gebracht, erkannte er, dass selbst daraus nichts werden würde. Dabei sah eigentlich alles ganz unverfänglich aus: Jo stand am Kopierer und legte einen neuen Papierstapel ein.
    Wolf unterdrückte einen Fluch. Von wegen ungestört arbeiten – das konnte er sich abschminken. Nicht, wenn Jo ihn permanent wegen des toten Barmanns löcherte.
    Mit mürrischem Gesichtsausdruck trat er auf sie zu. »Ja, wie denn, du bist schon da?«, fragte er wie beiläufig.
    Sichtlich erschrocken fuhr Jo herum. »Ach, Sie sind’s, Chef. Guten Morgen erst mal.« Und als hätte sie erst jetzt den Vorwurf realisiert, der hinter seinen Worten steckte, setzte sie scharf hinzu: »Nur, falls Sie’s nicht bemerkt haben sollten: Es ist nicht das erste Mal, dass ich um diese Zeit arbeite.«
    »Schon gut«, lenkte er ein. »Dachte nur, es wäre was passiert.«
    »Passiert?« Plötzlich schien sie zu ahnen, wo der Schuh ihn drückte: Sie hatte ihn um seinen ungestörten Wochenbeginn gebracht. Und als wolle sie ihn mit seinen eigenen Waffen schlagen, fuhr sie fort: »Ob was passiert ist, fragen Sie? Wollen Sie’s wissen? Wollen Sie’s wirklich wissen? Haben Sie Zeit?«
    Wolf,
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