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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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dazwischenkommt.«
    »Nein, danach.«
    »Danach? Dass ich nicht besonders traurig wäre, glaube ich.«
    »Ja, und weiter?«
    »Nun, dass die Figuren dort …«
    Wolf griff sich an die Stirn, als wäre ihm ein Licht aufgegangen. »Aber klar doch … Figuren, das ist es! Herrgott noch mal, dass ich da nicht schon früher draufgekommen bin. Du hast doch noch den Schlüssel zu Hauschilds Wohnung, oder?«
    Wortlos öffnete sie eine Schreibtischschublade und zog einen Schlüssel heraus.
    »Danke«, sagte Wolf. Er stand auf und schlüpfte in seinen Mantel. »Auf geht’s, Mädchen. Worauf wartest du noch?«, rief er ihr zu.
    »Wieso? Was haben Sie vor?«
    » Wir , meinst du –  wir   beide  haben etwas vor. Wir fahren nämlich zu Hauschilds Wohnung.«
    »Jetzt?«, rief sie überrascht, während sie gleichfalls nach ihrem Mantel angelte. »Darf ich erfahren, was wir dort wollen, Chef?«
    »Das erzähl ich dir, wenn wir vor Ort sind.«
    Eine halbe Stunde später trafen sie am Strandweg ein. Für die Fahrt hatten sie gerade mal acht Minuten gebraucht, der Rest war für die Beschaffung des Dienstwagens draufgegangen. Ein Jammer, was die Bürokratie an Zeit verschlang! Aber gut, dafür blieb ihnen diesmal die Suche nach einem Parkplatz erspart.
    Wolf schloss die Haustür auf. Gefolgt von Jo betrat er die weiße Marmortreppe, die zu Hauschilds Penthaus hinaufführte. Oben angekommen, durchbrach er das Siegel und öffnete die Tür.
    Wie stets beim Betreten einer verwaisten Wohnung hatte er das dumpfe Gefühl, jeden Augenblick könnte der Besitzer auf der Bildfläche erscheinen und ihn hochkant hinauswerfen. Ein bisschen kam er sich immer wie ein Spanner vor. Glücklicherweise würde ihr Aufenthalt hier nicht von langer Dauer sein, immerhin verfolgten sie eine konkrete und durchaus erfolgversprechende Spur.
    Bevor er in den Wohnraum trat, atmete Wolf noch einmal tief durch. Er rückte sein Barett zurecht und schloss kurz die Augen. Gleich würde er wissen, ob er richtiglag oder ob es für das, was ihm vorgestern unterbewusst aufgefallen war, eine andere, schlüssigere Erklärung gab.
    ***
    Karin Winter sah auf die Uhr. Eine knappe halbe Stunde noch bis zur Redaktionskonferenz. Nachdenklich nippte sie an ihrem Kaffee – dem vierten an diesem Morgen – und überflog die Papiere, die vor ihr lagen. Das Ergebnis ihrer Recherchen konnte sich sehen lassen, fand sie. Die Frage war, ob es auch Matuschek überzeugte. Sie musste ihn dringend sprechen. Am besten gleich. Sie griff zum Telefon und wählte seine Nummer.
    »Matuschek«, meldete er sich. Er klang genervt.
    »Jörg, ich habe ein Problem. Kann ich dich kurz sprechen?«
    »Um was geht es? Hat das nicht Zeit bis nach der Konferenz?«
    »Bitte. Es dauert nur eine Minute. Außerdem bin ich nachher ohnehin nicht dabei. Das heißt, wenn wir uns einigen.«
    »Was soll das heißen, nicht dabei? Und worüber sollen wir uns einigen?«
    Karin Winter wusste, wie sehr Matuschek daran lag, seine Truppe zu disziplinieren; und die vormittägliche Redaktionskonferenz war bei diesem Vorhaben sein wichtigstes Instrument. Nicht von ungefähr lautete die oberste Regel beim »Seekurier«: »Die Teilnahme an Redaktionskonferenzen ist eines jeden Mitarbeiters heilige Pflicht, Ausnahmen sind nur aus triftigen Gründen erlaubt.«
    »Ich bitte dich! Müssen wir das wirklich am Telefon erörtern?«, antwortete sie.
    Er schien kurz zu überlegen. »Also gut, komm rüber. Du hast zwei Minuten«, knurrte er und legte auf.
    Sie nahm ihre Unterlagen und machte sich auf den Weg. Schon wenig später saß sie ihm gegenüber. Sie hielt sich nicht mit langen Vorreden auf. »Ich bin sicher, du hast von der rapide hochschnellenden Selbstmordrate in Überlingen gehört …«
    »Oha … findest du das nicht ein bisschen übertrieben?«, fiel ihr Matuschek spöttisch ins Wort. »Ich weiß nur von zwei Fällen.«
    »Falsch. Es sind drei. Vorgestern Abend kam allem Anschein nach ein dritter dazu. Ein Mann ist in seinem Porsche auf einer menschenleeren Straße mit Vollgas gegen eine Felswand gefahren; er war sofort tot. Drei Selbstmorde in nur sechs Tagen, das gab’s in so kurzer Zeit noch nie bei uns. Hier hab ich eine Liste mit näheren Angaben über die Toten.« Sie legte einen Ausdruck vor ihn hin.
    Matuschek überflog kurz die Daten, dann zuckte er mit den Schultern. »Vermutlich eine zufällige Häufung. Oder was glaubst du?«
    »Es ist noch zu früh, um daraus etwas abzuleiten. Allein die Häufung hat mich
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