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Seerache

Seerache

Titel: Seerache
Autoren: Manfred Megerle
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solchermaßen überrumpelt, winkte hastig ab und beeilte sich, in sein Büro zu kommen. »Immer – nur nicht jetzt«, rief er über die Schulter zurück.
    »Hätte mich auch gewundert«, murmelte sie sarkastisch, bevor sie mit einem Knopfdruck den Kopierer in Bewegung setzte.
    Unter der Tür drehte er sich noch einmal um. »Ist denn auch schon jemand von der Spusi da?«
    »Aber klar doch. Ott. Und natürlich Mayer zwo.« Leise kichernd fügte sie hinzu: »Der soll doch neuerdings sogar die Nacht im Büro verbringen. Man munkelt, er habe eine Luma im Schrank.«
    »Luma?«
    »Ach, kommen Sie, Chef … Eine Luftmatratze.«
    »So. Munkelt man.« Er schlug die Tür hinter sich zu, nur um sie einen Augenblick später wieder aufzureißen. »Gibt’s schon Kaffee?«
    »Um halb neun, wie jeden Morgen«, beschied sie ihn knapp.
    Wolf knurrte etwas Unverständliches, bevor er endgültig in seinem Büro verschwand. Kurz entschlossen hängte er sich ans Telefon. Kaum hatte er das Gespräch beendet, stand er abermals unter der Tür. »Ich fahre mit dem Kollegen Ott von der Spusi zu den Heidenhöhlen. Du könntest in der Zwischenzeit diesen Hörmann durchleuchten … Personalien, Beruf, familiäre und finanzielle Hintergründe, du weißt schon.«
    »Was denken Sie, womit ich mich die ganze Zeit über beschäftige?« Sie zog eine Schnute und wies auf den Kopierer. »Als ob ich mit dem Mord an dem Barmann nicht schon genug um die Ohren hätte«, fügte sie vorwurfsvoll hinzu.
    »Sei nicht traurig, den Barmann-Fall nimmt dir keiner weg. Im Gegenteil, du wirst ihn schneller wieder auf dem Tisch haben, als dir lieb ist, Mädchen. Hat Dr. Reichmann eigentlich schon angerufen?«
    Jo stieß genervt die Luft aus. »Jetzt schau’n Sie mal auf die Uhr, Chef. Es ist kurz nach sieben, und das an einem Montagmorgen. Soll die arme Frau Doktor etwa um Mitternacht in Tübingen aufbrechen, nur um Ihnen in aller Frühe ein Obduktionsergebnis präsentieren zu können? Das verlangen Sie doch nicht im Ernst.«
    Dr. Reichmann, die zuständige Rechtsmedizinerin, kam nur bedarfsweise aus Tübingen nach Überlingen und führte in der Pathologie des Kreiskrankenhauses Obduktionen durch.
    »Wieso nicht?«, entgegnete Wolf ungerührt. »Die Frau verfügt über eine selten gewordene Eigenschaft, nämlich preußisches Pflichtgefühl. Na ja, vielleicht fahr ich auf der Rückfahrt bei ihr vorbei. Wäre hilfreich, wenn wir bald Näheres über das Unfallopfer wüssten.«
    »Falls sie überhaupt schon in Überlingen ist.«
    »Sie ist. Wetten, dass?« Als Jo keine Reaktion zeigte, setzte er hinzu: »Jedenfalls möchte ich die Unfallermittlungen möglichst bald vom Tisch haben. Bis später also.«
    ***
    Als Wolf gut eineinhalb Stunden später wieder zurückkehrte, nahm Jo die Finger von ihrer Tastatur und sah ihm gespannt entgegen.
    »Ich hoffe, Sie bringen gute Nachrichten, Chef?«
    »Sobald ich einen Kaffee bekomme, erfährst du alles«, brummte er und verschwand kurz in seinem Büro. Jo, die bereits ungeduldig auf seine Rückkehr gewartet hatte, beeilte sich, seiner »Bitte« nachzukommen. Endlich nahm er ihr gegenüber Platz und streckte seine langen Beine unter den freien Schreibtisch.
    »Hat sich zufällig die Gerichtsmedizin gemeldet?«, fragte er, nachdem er vorsichtig an seiner Tasse genippt hatte.
    Etwas ratlos sah sie ihn an. »Sagten Sie nicht, Sie wollten auf der Rückfahrt dort vorbeischauen?«
    »Hab ich. Aber die Reichmann war nicht da«, gab er kleinlaut zu.
    »Aha! So viel zum preußischen Pflichtgefühl.« Jo konnte sich ein Grinsen nicht ganz verkneifen. Nachdem sie ihre Gesichtszüge wieder geordnet hatte, fuhr sie fort: »Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Nein, hat sie nicht. Und jetzt lassen Sie uns anfangen – oder interessiert Sie nicht, was ich herausgekriegt habe?«
    »Ich dachte, du bist zunächst am Ergebnis der Geländebegehung interessiert?«
    »Ach so, ja. Dann schießen Sie mal los.«
    »Also: Weder im oberen Bereich der Felswand, an der sich der Unfall ereignete, noch im Gelände darüber gab es Anzeichen, die auf eine Einwirkung Dritter schließen lassen. Keine mit Werkzeugen oder anderen Hilfsmitteln absichtlich herbeigeführten Bruchstellen im Fels, keine erkennbaren Spuren im Gras oder an den Sträuchern, keine Fuß- oder Reifenabdrücke am Boden. Wie auch? Von oben ist ein Durchkommen zur Abbruchkante praktisch unmöglich, das Gelände ist völlig zugewachsen. Und glaub mir, wo Kollege Ott nichts findet, da gibt es auch
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