Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
Vom Netzwerk:
gesprochen … als wäre ihm das Thema unangenehm gewesen.«
    »Nein, nein«, beeilte sich Karin zu sagen, »ich hatte ein Problem mit einer Tür, nichts Großes. Er hat es wieder gerichtet.«
    »Ja, Herr Seitz war ein guter Handwerker«, stimmte sie zu, »und ein guter Mensch. Zwanzig Jahre lang haben wir nebeneinander gewohnt. Er war immer so herzlich und aufgeschlossen. Bis seine Frau verstarb. Seitdem ging’s nur noch bergab mit ihm.« Sie stieß einen langen Seufzer aus.
    »Was Sie nicht sagen. Mir schien er über die Maßen unternehmungslustig, so voller Pläne …«
    Überrascht hob die Frau den Kopf und sah Karin an. »Unternehmungslustig? Finden Sie?«, fragte sie skeptisch. »Davon hab ich nichts gemerkt, ganz im Gegenteil.«
    »Oh doch«, setzte Karin noch eins drauf. »Demnächst wollte er sich sogar einen neuen Wagen anschaffen, einen S-Klasse-Mercedes, glaube ich. ›Noch einmal so richtig die Sau rauslassen‹, hat er gesagt und gelacht.«
    Abrupt blieb die Frau stehen. »Ein neuer Wagen?« Ihre Stimme klang schrill. »Sind Sie sicher, dass wir beide von demselben Mann reden, meine Liebe?«
    »Wieso? Zweifeln Sie etwa daran?«
    »Natürlich nicht.« Ratlos schüttelte die Frau den Kopf, bevor sie sich wieder in Bewegung setzte. »Aber dass er Ihnen diese Geschichte erzählt hat … Flunkern passt gar nicht zu ihm«, sagte sie mehr zu sich selbst.
    »Warum soll er geflunkert haben?«, fragte Karin.
    »Weil er am Ende war. Finanziell, meine ich. Schon seit einigen Wochen. Am Schluss hatte er nicht mal mehr was zum Beißen. Ich habe ihm – aber bitte behalten Sie das für sich! – sogar Geld geliehen, damit er über die Runden kam. Zum Glück hat mir mein verstorbener Mann, Gott hab ihn selig, genügend hinterlassen.«
    »Ist das wahr?«
    »Wenn ich’s Ihnen sage. Warum sonst sollte er seinem Leben ein Ende machen?«
    »Ach, dann stimmen die Gerüchte also doch? Und ich hatte den Eindruck, seine Geschäfte laufen ganz gut. Tja, so kann man sich irren. Aber warum … ich meine, was ist denn passiert? Wieso war er zuletzt so knapp bei Kasse?«
    Mit gerunzelter Stirn blickte die Frau auf Karin. »Warum wollen Sie das wissen?«, fragte sie misstrauisch.
    »Entschuldigen Sie, ich wollte nicht neugierig erscheinen. Ich … nun, ich versteh einfach nicht, wie ich mich so in ihm täuschen konnte. Dabei hab ich mir immer was auf meine Menschenkenntnis eingebildet. Vergessen Sie die Frage einfach, ja?«
    »Nein, ich muss mich entschuldigen«, lenkte die Frau rasch ein. Sie überlegte kurz, ehe sie fortfuhr. »All die Jahre über hat der Ewald, ich meine, der Herr Seitz, solide gewirtschaftet. Und dann dieser plötzliche Abstieg. Ich glaube, er hat es überhaupt nicht kommen sehen. Wenige Tage zuvor hatte er mir noch erzählt, so ein bisschen Zocken sei ganz schön einträglich.«
    »Zocken? Hat er das wirklich so gesagt?«
    »So hat er es genannt, ja.«
    »Was meinte er damit?«
    »Er hat nicht über Details gesprochen, wahrscheinlich hätte ich es auch nicht verstanden.« Sie dachte kurz nach. »Eine Zeit lang kam relativ häufig so ein Mann zu ihm nach Hause. Sahin hieß der, ich glaube, es war ein Türke.«
    »Sie haben zusammen gespielt, meinen Sie?«
    »Ach was, wo denken Sie hin? Sie haben irgendwas besprochen. Dieser Sahin muss ihm einen Floh ins Ohr gesetzt haben, denn hinterher war Herr Seitz immer so … na ja, so euphorisch eben. Doch plötzlich, nach ein paar Wochen, war Schluss mit lustig. Irgendetwas muss da in die Hosen gegangen sein. Fragen Sie mich nicht, was. Jedenfalls war das der Anfang vom Ende.«
    Inzwischen hatten sie den Friedhofsausgang erreicht. Die Frau reichte Karin die Hand. »Hat mich gefreut, meine Liebe. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.«
    »Dann aber hoffentlich aus einem freudigeren Anlass«, erwiderte Karin. »Auf Wiedersehen und alles Gute.«
    ***
    »Hier, schau dir das an. Ist das nicht monströs?« Mayer zwo wies auf den aufgeklappten Schnellhefter, der vor ihnen auf dem Schreibtisch in Hauschilds Arbeitszimmer lag – allerdings erst, nachdem er sich davon überzeugt hatte, dass die neu hinzugekommenen Kollegen sich ebenfalls Latexhandschuhe übergezogen hatten. Schon beim Nähertreten sprang Wolf das Wort »Expertise« ins Auge, darunter prangte das Bild eines grünlich schimmernden Elefanten. Darüber hinaus enthielt das Deckblatt eine stichwortartige Objektcharakterisierung, beglaubigt durch Stempel nebst Unterschrift eines Hamburger Auktionshauses. Es

Weitere Kostenlose Bücher