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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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mich, woher sie wohl stammen mag.«
    »Sie hängt also nicht mit dem Unfall zusammen?«, hakte Wolf noch einmal nach.
    »Nein, eindeutig nicht.«
    »Eine Schussverletzung vielleicht?«, schlug Jo vor.
    »Ebenso eindeutig nein. Dafür ist sie nicht tief genug. Im Übrigen hätte ich – neben einem Schusskanal – auch eine Kugel oder ein vergleichbares Projektil finden müssen.«
    »Und wenn es ein Streifschuss war?«
    »Das können wir nach Art und Ausdehnung der Wunde ebenfalls ausschließen. Ich bin mir außerdem ziemlich sicher, dass die Spusi auch in dem Wrack nichts finden wird, was uns weiterhilft. Klingt mysteriös, ich weiß, aber derzeit habe ich keine plausible Erklärung.«
    Einen Augenblick lang herrschte Schweigen. »Gut, lassen Sie mich das noch einmal repetieren«, sagte Wolf. »Der Tote weist eine Wunde an der linken Stirnseite auf, die keine direkte Folge des Unfalls ist und bei der es sich eindeutig nicht um eine Schussverletzung handelt – richtig?« Er rieb mit der linken Hand sein Kinn und ging nachdenklich ein paar Schritte auf und ab. Plötzlich hob er den Kopf und sah Dr. Reichmann fragend an. »Wenn sich schon nicht feststellen lässt,  wie  ihm die Wunde beigebracht wurde, können Sie dann wenigstens sagen,  wann  es war? Ich meine, um welche Uhrzeit?«
    »Und wenn schon. Was fangen wir damit an?«, wollte Jo wissen.
    »Ist im Moment nur so eine Idee. Also, Franzi: Lässt sich der Zeitpunkt eingrenzen, zu dem Hörmann die Wunde beigebracht wurde – von wem und durch was auch immer?«
    Dr. Reichmann überlegte kurz. »Hm, zieht man die Beschaffenheit der Wunde und die Wundränder in Betracht … ich würde sagen, ungefähr zum Zeitpunkt seines Todes, jedenfalls nicht viel früher. Hilft Ihnen das weiter?«
    »Möglich. Apropos Tod: Was genau war denn nun die Todesursache?«
    »Eine Fraktur des Dens axis. Auf gut Deutsch: Genickbruch. Der Mann muss mit dem Kopf gegen den rechten Fensterholm geprallt sein. Das deckt sich mit den Angaben im Unfallbericht. Darin steht, dass der Fahrer nicht angeschnallt war.«
    Wolf stutzte. »Moment mal … könnte die Verletzung, von der Sie eben sprachen, dann nicht doch bei dem Aufprall entstanden sein?«
    »Auf keinen Fall. Die Verletzungen an der Stirn des Opfers befinden sich auf der rechten Seite. Die Wunde, von der ich sprach, ist aber links, genauer gesagt: schräg oberhalb des linken Ohrs.«
    Merkwürdigerweise zeigte sich Wolf über die ablehnende Antwort befriedigt. Das rief Jos Neugier auf den Plan.
    »Kommen Sie, Chef, nun lassen Sie schon die Katze aus dem Sack. An was denken Sie?«
    Wolf winkte ab. »Lass mir noch etwas Zeit, bis ich klarer sehe. Franzi, vielen Dank für die Auskunft, Sie haben uns sehr geholfen. Also dann … bis zum nächsten Mal.«
    »Nicht so hastig, mein lieber Leo. So einfach kommen Sie mir nicht davon. Wenigstens diesen einen müssen Sie sich anhören. Also …« Sie setzte ein verschwörerisches Lächeln auf. »Sitzen vier Ärzte am Stammtisch. Der Augenarzt steht auf und sagt: ›Ich gehe jetzt – man sieht sich.‹ Auch der Ohrenarzt erhebt sich und sagt: ›Ich komme mit – wir hören voneinander.‹ Darauf der Urologe: ›Ich verpiss mich ebenfalls.‹ Ruft ihnen der Gynäkologe nach: ›Grüßt eure Frauen – ich schau mal wieder rein.‹« Franzis Nasenflügel zitterten, sie konnte das Lachen kaum unterdrücken. »Na, wie finden Sie den?«
    Wolf verzog keine Miene. »Ich lache später«, sagte er nachdenklich und ging zur Tür.
    Auf dem Weg zum Wagen schnarrte Wolfs Handy. Er sah auf das Display.
    Der Anruf kam aus der Polizeidirektion, aus dem Büro von Kriminalrat Ernst Sommer. Der Chef der Überlinger Kripo und Wolf waren über das reine Dienstverhältnis hinaus seit vielen Jahren befreundet.
    »Wo bist du, Leo?«, wollte Sommer wissen, nachdem sich Wolf gemeldet hatte.
    »Im Kreiskrankenhaus, hab grade die Pathologie verlassen. In spätestens zehn Minuten bin ich wieder im Büro.«
    »Dann schau bitte zuerst bei mir vorbei.«
    »Mach ich. Bis gleich.«
    Sie erreichten die Polizeidirektion deutlich schneller – wie meist, wenn Jo am Steuer saß. Stets brachte sie das Kunststück fertig, das Äußerste aus dem Wagen herauszuholen, egal, aus welchem Stall er kam. So betraten sie bereits sieben Minuten nach Wolfs Telefonat das Polizeigebäude.
    Dort trennten sich ihre Wege. Während Jo zu den Kollegen vom Betrugsdezernat wollte, steuerte Wolf das Büro des Kripochefs an.
    »Ah, da bist du

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