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Seerache

Seerache

Titel: Seerache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manfred Megerle
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höchst überrascht; mit dieser Wendung hatte wohl keiner von ihnen gerechnet. Offensichtlich verfügte der Kerl neben krimineller Energie auch über ein vielseitiges Repertoire ausgefeimter psychologischer Fähigkeiten.
    »Maschine stopp und Kontrollboot aussetzen«, bellte Horvaths Stimme über die Bordlautsprecher. »Wir nehmen die Frau aus dem Motorboot auf. Decken und ärztliche Notversorgung bereithalten.«
    »So schwer es fällt, Geza, wir müssen ihn ziehen lassen. Die Rettung der Geisel geht vor«, meinte Wolf. Grimmig fügte er hinzu: »Trotzdem … den Kerl krieg ich noch, da bin ich mir sicher.«
    ***
    Im Konferenzraum des »Seekuriers« hatte sich eine illustre Viererrunde zusammengefunden. Neben Kaffee und süßen Plätzchen wurden San Pellegrino, ein kräftiger Roter und warme Schinkenhörnchen gereicht; besonders Letztere fanden, wie nicht anders zu erwarten, bei den Anwesenden regen Zuspruch.
    Nachdem der erste Hunger gestillt und alle Teilnehmer mit Getränken versorgt waren, klopfte Chefredakteur Jörg Matuschek mit einem Löffel an seine Tasse.
    »Lieber Herr Teufel. In Anbetracht Ihres angespannten Zeitplanes bitte ich um Nachsicht, wenn ich ohne Umschweife auf den Anlass Ihres heutigen Besuches bei uns zu sprechen komme. Wir haben Sie – ich darf sagen: wieder einmal – zu einem Interview überreden können.« Gut gelaunt fügte er hinzu: »Was nicht heißen soll, dass die Herren die Finger von den Appetizern und den Getränken lassen müssen – ganz im Gegenteil. Wie heißt es doch so schön: Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen. Womit wir auch gleich beim Thema wären.«
    Jörg Matuschek blickte kurz zu seinen beiden Redaktionskollegen hinüber, bevor er sich wieder dem rechts von ihm sitzenden freundlich lächelnden älteren Herrn zuwandte, der dem früheren baden-württembergischen Ministerpräsidenten Erwin Teufel wie aus dem Gesicht geschnitten war.
    »Es ist ja längst kein Geheimnis mehr, Herr Teufel, dass Sie mit unserem schönen Bodensee eng verbunden sind. Unseren Lesern, den Überlingern im Besonderen, ist hinlänglich bekannt, dass Sie vor Langem schon Ihren Zweitwohnsitz hier in Überlingen eingerichtet haben. Wir wissen auch, dass der süffige Bodenseewein Ihre Entscheidung nicht unwesentlich beeinflusst hat …« Er hob sein Glas und prostete Teufel zu.
    »Nun mal halblang, Herr Matuschek, Sie stempeln mich ja zum Säufer ab«, erwiderte Teufel lachend.
    »Aber ich bitte Sie, nichts liegt mir ferner«, sagte Matuschek und fiel in das Lachen ein.
    »Sie haben ja recht«, gestand Teufel. »Wie könnte ich als rechter Schwabe etwas gegen einen guten Tropfen haben? In Maßen, versteht sich. Leider hat die Natur meine Heimatstadt Spaichingen in dieser Hinsicht etwas stiefmütterlich behandelt. Dafür wachsen bei uns die größten Kartoffeln … sagt man zumindest. Aber entschuldigen Sie, ich wollte Sie nicht unterbrechen.«
    Einer der beiden Redakteure ergriff nun das Wort. »Lassen Sie mich gleich zu Beginn ein heikles Thema ansprechen, Herr Teufel, nämlich die desolate Situation in Ihrer Partei. Damit meine ich nicht nur den selbstherrlichen Regierungsstil von Stefan Mappus, der – zumindest vordergründig – bei den Landtagswahlen im vergangenen April zum Verlust der jahrzehntelangen  CDU -Vorherrschaft geführt hat. Kenner der baden-württembergischen Parteienlandschaft haben diese Entwicklung seit Längerem kommen sehen, und nach ihrer Auffassung trägt dafür nicht nur Stefan Mappus die Schuld. Es heißt, die Abnutzungserscheinungen und die verkrusteten Strukturen innerhalb Ihrer Partei seien die Ursache des Niedergangs, der sich – und hier zitiere ich die ›Frankfurter Allgemeine‹ – mit der Regierung von Erwin Teufel deutlich beschleunigt habe. Möchten Sie zu dieser Rückschau etwas sagen, Herr Teufel?«
    Teufel, dessen Lächeln bei dieser harschen Einleitung förmlich zu gefrieren schien, räusperte sich erst mal ausgiebig, ehe er antwortete. »Nun, in gewisser Weise haben Sie recht – und doch wieder nicht. Im Nachhinein ist es immer leicht –«
    Er brach ab, als die Tür aufgerissen wurde und eine verstört blickende junge Frau eintrat. Unschlüssig blickte sie auf Matuschek.
    »Ja, was ist denn, Rosi? Ich hab doch gesagt, keine Störungen – entschuldigen Sie bitte, Herr Teufel.«
    Die junge Frau trat an Matuschek heran und flüsterte ihm mit vorgehaltener Hand etwas ins Ohr. Matuschek blieb zunächst regungslos sitzen, bevor er

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