Seeteufel
wechselten einen überraschten Blick. Daran hatten sie in der Tat noch nicht gedacht.
»Ich will ja gar nicht abstreiten«, setzte Wolf seine Ausführungen fort, »dass die Fäden in jenem Haus in der Turmgasse zusammenzulaufen scheinen. Was jedoch Bretschwiler betrifft, da bin ich etwas anderer Meinung als du, Jo. Ich nehme ihm sein Alibi und sein Heiligengetue durchaus ab. Der Mann scheint mir von seinem Glauben â oder sollte man eher sagen: seinem Sendungsbewusstsein? â so durchdrungen, dass für kriminelle Handlungen kein Raum mehr bleibt. Zugegeben, wir reden hier nur über ein Gefühl; nichts, aber auch gar nichts davon kann ich beweisen. Aber gesetzt den Fall, ich hätte recht â müsste dann die Frage nicht lauten: Wer sonst, wenn nicht Bretschwiler, hat die Taten ausgeführt oder veranlasst? Wer sind die Leute im zweiten Glied? Wer in dieser Gruppe verfügt über eine so starke Position, dass er hinter Bretschwilers Rücken schalten und walten kann, wie es ihm beliebt? Den- oder diejenigen müssen wir ausfindig machen, dann beantworten sich vermutlich alle anderen Fragen von selbst.«
»Und was heiÃt das nun genau?«, wollte Jo wissen.
»Das heiÃt, dass Hanno und ich noch einmal zur Turmgasse fahren, um genau diese Fragen an Bretschwiler zu richten. Und ich will verdammt sein, wenn wir seinen Tempel ohne schlüssige Antworten wieder verlassen.«
»Und was ist mit mir?«, wollte Jo wissen.
»Du versuchst rauszukriegen, ob die ermordeten Frauen tatsächlich in irgendeiner Beziehung zu Heavenâs Gate standen.«
»Wäre es nicht besser, ich komme mit und wir klären das vor Ort?«
»Das halte ich für keine so gute Idee. Wir haben es ja wohl nicht mit einem kaufmännisch geführten Unternehmen zu tun, das mit ordentlichen Mitgliederlisten aufwarten kann. Versuchâs zunächst über die zuständigen Finanzämter, das wäre ein Anfang. Was uns weiterhelfen würde, sind Angaben zur Kirchensteuer oder beispielsweise Spendenquittungen. Streng dein hübsches Köpfchen an. Wir treffen uns wieder â¦Â«, er sah auf die Uhr, »spätestens um halb sieben.«
»Ich muss heut unter allen Umständen um sieben die Fliege machen, Chef. Dringender Termin. Der ist mir gestern schon geplatzt, das kann ich heute nicht noch mal bringen.«
»Keine Sorge, du wirst pünktlich entfleuchen.«
*Â *Â *
Karin sah prüfend auf die Lokalseite der Samstagsausgabe. »Kannst du das Bild auf die rechte Spalte rüberziehen? Lass meinetwegen den Text ins Bild reinlaufen.« Es war eine rein hypothetische Frage. Sie wusste, dass der Metteur, der für die Erstellung des Seitenumbruchs zuständig war, damit keine Schwierigkeiten haben würde.
»Müsste gehen ⦠So, schon erledigt. Zufrieden?«
»Gut so. Von mir aus ist die Seite gebongt. Lass Matuschek noch mal drübergucken, okay?«
»Geht klar.«
Karin Winters Telefon klingelte. Sie eilte an ihren Schreibtisch zurück und nahm den Hörer ab.
»Kommen Sie in dreiÃig Minuten zu der AutowaschstraÃe in der Lippertsreuter StraÃe«, flüsterte eine Männerstimme. »Ich fahre einen dunkelblauen BMW mit Ravensburger Kennzeichen. Steigen Sie bei mir zu, sobald ich in die WaschstraÃe einfahre. Wir haben dann genau vier Minuten. Und seien Sie pünktlich.« Noch ehe Karin etwas fragen konnte, war die Leitung tot.
Was hatte das zu bedeuten? War das nicht die Stimme von Felger gewesen? Sigi Felger, dem sie seinen derzeitigen, wenn auch nicht ganz legalen Job verschafft hatte, falls man die Tätigkeit als Maulwurf bei Heavenâs Gate überhaupt als Job bezeichnen konnte. Naturgemäà waren Kontakte mit Sigi eher selten, genau genommen hatten sie sich bisher nur einmal getroffen. Da hatten sie vorgegeben, in einem Supermarkt einkaufen zu wollen. Mit unbeteiligtem Gesicht hatte er ihr am Kühlregal ein paar Sätze zugeflüstert, danach waren beide wieder ihrer Wege gegangen. Zwei-, dreimal hatten sie noch miteinander telefoniert, das warâs dann. Auch der Treffpunkt war ziemlich eigenartig. Hatte Sigi zu viele James-Bond-Filme gesehen? Und wieso so kurzfristig? Es musste triftige Gründe geben, das Treffen so überstürzt anzusetzen â sehr triftige Gründe sogar!
Kurz entschlossen nahm sie ihre Tasche auf. Im Vorübergehen informierte sie
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