Seeteufel
Ermittlungsbehörden.
So oder so ähnlich waren die zweihundertvierundsiebzigtausend Euro auf Loskes Girokonto zu erklären, die das Papier in seiner Tasche auswies. Es stand zu vermuten, dass weitere Gelder in ähnlicher GröÃenordnung geflossen waren, allerdings ohne Spuren zu hinterlassen. Sie erklärten die für Wolfs Verhältnisse schwindelerregende Höhe von Loskes UBS -Guthaben. Gleichzeitig warfen sie ein etwas schiefes Licht auf dessen angebliche Cleverness. Immerhin: Seinem Kompagnon Neidling war ein solch gravierender Fehler nicht unterlaufen.
Mitten in Wolfs Gedankenspielen klingelte sein Handy. Er sah auf das Display: Vögelein. Wurde aber auch Zeit! »Hanno, was gibtâs?«
»Sieht schlecht aus, Chef. Wir haben zwar noch nicht alle Betriebe abgeklappert, aber an Loske und Neidling will keiner vermietet haben. Weder auf die Phantombilder noch auf die Namen oder unsere Beschreibung gab es eine Reaktion. Entweder die beiden halten sich gar nicht in Sipplingen auf, oder sie sind unter anderen Namen und mit verändertem Aussehen abgestiegen. Wenn Sie mich fragen: In beiden Fällen sehen wir alt aus.«
Wolf seufzte vernehmbar, es klang enttäuscht. »Vermutlich hast du recht. Trotzdem, macht weiter. Und melde dich, wenn ihr durch seid.« Da er das Telefon nun schon mal in der Hand hatte, drückte er auf Jos Kurzwahl.
»Was tut sich bei der Bächle?«
»Hält sich weiterhin in ihrer Wohnung auf. Ich observiere aus etwa zwanzig Metern Abstand, immer mit Blick auf ihren Hauszugang. Eine Hintertür gibt es nicht. Hoffentlich lässt mich das Weib nicht verhungern, bildlich gesprochen.«
»Was ist mit ihrem Wagen?«
»Sie hatten mal wieder recht, Chef: Ihr Wagen ist weg. Ich habe unauffällig die ganze Umgebung abgeklappert, und eine Garage gibt es nicht.«
»Hast du das Kennzeichen?«
Er notierte die Nummer, die sie ihm nannte. »Gut. Mach weiter. Und pass auf, dass du nicht einschläfst â bei deinem aufreibenden Liebesleben.«
Ehe sie ihm eine harsche Antwort geben konnte, hatte er die Leitung unterbrochen und eilte mit groÃen Schritten über den Münsterplatz. Vögelein hatte recht: Alles sprach dafür, dass die Erpresser, sollten sie wirklich in Sipplingen abgestiegen sein, ihren Namen und ihr Aussehen verändert hatten. Damit nahmen sie den Ermittlern jede Chance, sie aufzuspüren.
Wolf konzentrierte sich beim Gehen auf die ihm bekannten Fakten, versuchte, alle denkbaren Lösungen durchzuspielen, sich für die mittägliche Lagebesprechung einen erfolgversprechenden Plan zurechtzulegen. Eines stand jedenfalls fest: Wenn Loske und Neidling sich nach ihrem Coup tatsächlich in die Karibik absetzen wollten, dann nicht mit ihren eigenen Pässen. Bestimmt verfügten sie längst über neue Papiere. Wer mit so viel krimineller Energie seine Pläne verfolgte, der würde nichts dem Zufall überlassen â schon gar nicht seine Flucht; zumal der Preis für eine neue Identität keine Rolle spielte, denn an Geld schien es den beiden wahrhaftig nicht zu mangeln.
Doch eine andere Frage drängte sich auf: Wie wollten die Erpresser das Land verlassen? Der nächstgelegene und gleichzeitig sicherste Flughafen war zweifellos Zürich-Kloten. Garantiert gab es von dort auch Flugverbindungen in die Karibik. Fragte sich, wie die Täter nach Kloten kamen: mit einem Boot ans schweizerische Ufer übersetzen? Könnte klappen. Andererseits, der Fluchtweg übers Wasser war leicht zu kontrollieren. Zu FuÃ, mit einem Zweirad, einer Taxe, einem Mietwagen? Zu riskant! Also doch Monika Bächles Golf? Eines war klar: Falls Loske und Neidling tatsächlich den weiÃen Golf der Bächle benutzten, dann hätten seine Leute leichtes Spiel. Dieser Wagen war erheblich leichter zu finden als die zwei Männer, die sich ganz offensichtlich unter falschem Namen in einem unbekannten Quartier verborgen hielten. Es würde reichen, seine Leute unauffällig durch Sipplingen spazieren zu lassen. Hätten sie erst den Golf, wären die Erpresser nicht weit. Der Zugriff allerdings musste präzise getimt werden, um das Hochgehen der Haftladung unter allen Umständen zu verhindern.
Ohne seine Umgebung bewusst wahrzunehmen, hatte Wolf in der Zwischenzeit den Münsterplatz erreicht. Sein Ziel war das Reisebüro von Fred Kalmund. Bei ihm pflegte er seine Reisen nach Frankreich zu
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