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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Ufer lag ein toter Wittling. Der Fisch kam zum Sterben aus freien Stücken an Land, wenn ihn vorher niemand von hier gefangen hatte. Er hörte die Wellen gegen die Könige hinter sich schlagen. Er hielt sich die Ohren zu, einen kurzen Moment. In ihm schrie jemand. Er hielt den Schrei mit den Händen auf seinen Ohren fest und ließ ihn dann hinaus.
    Im »The Three Kings« saß ein Mann, den er nicht kannte, als er hereinkam. Noch einer. Er erwog umzukehren, aber der Mann hatte nicht reagiert, als er eintrat. Er hatte ihn nur mit dem kalten Blick eines Fremden angeschaut und dann auf die North Castle Street hinausgesehen, wo das Viadukt scharfe Schatten warf. Die Häuser gegenüber hatten ein gezacktes Muster, als ob sie mit Graffiti bedeckt wären. In einer Stunde würde die Sonne so weit gewandert sein, dass das Muster verschwand und durch den glatten Stein ersetzt wurde. Hier gab es keine Graffiti. Die Jungen, die es sprayen könnten, flohen nach Westen und Osten, sobald sie fliehen konnten, nach Inverness, Aberdeen, der Ort lag genau dazwischen, vermutlich flohen sie noch weiter, nach Edinburgh, Glasgow. Manche bis nach London hinunter.
    Er bestellte sein Pint und seinen Whisky. Hinter der Theke stand eine Frau, die er nicht kannte. Sie war nicht mehr jung und auch nicht alt, auf dem Weg vom Nichts ins Nirgendwo. Sie spritzte Schaum auf die Theke, seufzte und holte einen Lappen. Er konnte den Lappen riechen. Sein Ale roch genauso, wenn er davon trank. Er spülte mit dem Whisky nach. Wer seinen Schnaps behalten wollte, musste der Regel folgen. Beer on whisky - mighty risky. Whisky on beer - never fear.
    Er nahm wieder einen Schluck Ale. Der Fremde am Fenster erhob sich und ging zur Tür. Plötzlich drehte er sich um und sagte »goodbye« und nickte dem Mann zu. Die Frau hinter der Theke nickte auch, aber er hatte gespürt, dass der Gruß ihm galt. Das gefiel ihm nicht. Er trank rasch sein Bier, nahm das Whiskyglas und stieg vom Hocker. Seine Hüfte schmerzte wieder. Er sah, wie der Mann die Tür schloss und zu einem Auto auf der anderen Straßenseite ging. Er startete das Auto, fuhr auf die Bayview Road hinaus und verschwand. Er kannte den Mann nicht, hatte ihn noch nie gesehen. Warum hatte er sich von ihm verabschiedet? Er trank seinen Whisky aus und stellte das Glas auf den Tisch, wo noch das Bierglas des Fremden stand.
    Er ging die North Castle in südlicher Richtung entlang, bog nach links in die Grant Street ein und erreichte den Marktplatz. Dort stand ein leerer Bus. Die Fahrgäste und der Fahrer aßen vermutlich im Seafield Hotel, auf dem Weg nach Aberdeen, da der Name der Stadt vorn auf einem Schild am Bus stand.
    Seafield Hotel war nichts für ihn, nicht jetzt und auch früher nicht.
    Nicht einmal in Aberdeen hatte er so ein Haus betreten.
    Aber in Fraserburgh waren sie im Saltoun Arms Hotel gewesen.
    Sie hatten sich in einem rest room gewaschen, der blitzsauber war wie die Sonne auf dem Meer an einem wolkenlosen Tag.
    Das war zwei Abende vorher gewesen.
    Wusste das jemand? Der sie dorthin gelenkt hatte? Nur zwei Tage, bevor.
    Sie hatten in einem Raum Mittag gegessen, wo große grüne Pflanzen standen, und alles roch so gut. Das Essen war warm gewesen und hatte gut geschmeckt. Zum Nachtisch hatten sie einen süßen roten Pudding gegessen. Der hatte gewackelt wie der Bauch eines Tiefseefisches.
    Seitdem war er nicht mehr dort gewesen.
    Leute kamen aus dem Hotel. Sie stiegen in den Bus. Er fuhr in Richtung Aberdeen.
    Sie hatten draußen bei Abercromby Jetty gelegen und dann in Tidal Harbour. Er war zehntausend Schritte auf dem Albert Quay gegangen. Über die Victoria Bridge. Hinunter zum Timber Yards. Wieder hinauf zum Commercial Quay.
    Er hatte in »The Schooner« gesessen und die Dämmerung über der Guild Street gesehen.
    Sie würden ihn nicht entkommen lassen.
    Er hatte es gewusst, hatte es gedacht.
    Sie warteten. Jemand wartete.
    Draußen war er die steile Treppe zur Crown Street hinaufgeklettert. Würde er es heute schaffen? Vielleicht. Ja, nicht heute zwar, nicht mit den Hüftschmerzen, aber ein andermal.
    Er war in Richtung Norden auf der Crown und dann am Union entlanggegangen. Der Krieg war überall, in den Schaufenstern der Läden, in der Alltagskleidung der Leute, in den Uniformen der Soldaten. Alles war so dunkel, wie es nur sein konnte, verdunkelt. The dark ages. Das waren die schwarzen Zeiten.
    Er hatte Briefe geschrieben. Er hatte an seine Familie geschrieben.
    Er erinnerte sich an das Licht

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