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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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schaute zum Himmel auf.
    »Wir brauchen ein Wirtshaus zum Übernachten.«
    Winter nickte.
    »Ich weiß, wo«, sagte Macdonald. »The Seafield Hotel in Cullen. Das ist ein Klassiker. Darauf bin ich bis eben nicht gekommen. Dort kannst du Cullen Skink probieren!«

48
    Er hörte sie hinter seinem Rücken reden. Er wusste, wer es war und warum sie dort waren. Er bewegte sich nicht. Er hatte sie kommen sehen und er hatte verstanden.
    Sie sagte nichts, als sie die Bestellung aufgaben. Vielleicht verstand sie es auch.
    Es war nur eine kleine Gefälligkeit. Er wusste, dass er sie darum bitten könnte. Ein einziges Gespräch. Eine einfache Frage. Aber er hatte kein Vertrauen mehr zu ihr.
    Er hatte sich entschlossen, alles zu erzählen. Die Zeit war reif. Wann war dieser Entschluss gekommen? Es hatte mit dem Meer zu tun. Der Einsamkeit.
    Nach all den Jahren. Anfangs war es leichter gewesen.
    Als er alles verlassen sollte, war es schwerer. Nicht schwer zu verlassen, er hatte sich danach gesehnt. Gesehnt. Aber er wollte es nicht allein tun, nicht jetzt.
    Wer hätte geglaubt, dass es so werden würde? Dass der Junge.
    Nimm das Auto, hatte der Junge gesagt. Ich brauche es nicht.
    In den Augen des Jungen war ein Glanz gewesen.
    Jetzt ist alles vorbei, hatte der Junge gesagt.
    Der Junge hatte gebetet, die ganze Zeit hatte er gebetet. Sein Verstand schien zu schwinden.
    Am See hatte Friede geherrscht. Es war ein friedlicher Strand.
    FAHR!, hatte der Junge geschrien. Er hatte gezögert.
    FAHR! Der Junge schrie wieder und seine weißen Haare standen ihm zu Berge. Sein Körper sah alt aus. Er war alt, aber nicht so alt wie seiner.
    Der Junge war blau im Gesicht. Sein Herz. Die blaue Farbe verschwand. Der Junge ging allein auf die andere Seite des Sees und er betete.
    JESUS!
    Ein Ruf über den Bergen.
    Wir sind alle verloren, hatte er dann gesagt. Ich werde uns von der Sünde befreien, uns reinwaschen. Ich bin froh, dass du mich gerufen hast. FAHR jetzt!
    Nachts kamen die Träume. Träume von Gold, von Silber, von Geld, das alles zerstörte.
    Wie oft hatte er nicht mit dieser Pistole in der Hand dagesessen? Zuerst war es eine Bedrohung gewesen, kurz danach. Als er sich versteckt hielt in den Klippen, in Verschlägen, verrottenden Schiffen. Er hatte einmal geschossen.
    Dann war der Gedanke gekommen, an sich selbst Hand anzulegen.
    Er wusste nicht, was geschehen sollte.
    Er trug ihn Tag und Nacht mit sich herum.
    Er hatte ihn gehabt, als er die Stimmen im »Three Kings« gehört hatte, als er sie sah. Sie kamen aus der anderen Welt.
    Jetzt spülten die Erinnerungen herauf. Überall war Wasser, das Meer schlug über ihm zusammen. Er hatte die Jolle zu Wasser gelassen im Schatten der Wellen. »Marino« begann schon zu sinken.
    Es war nötig. Egon war bereits verloren. Der Trawler war verloren.
    Er hatte Frans' Gesicht in seinen Händen gespürt. Jesus! Dort draußen war niemand gewesen, der zuhörte. Gott hörte nicht zu, nicht Gottes Sohn. Am Ufer waren nur Steine. Er traf seine Entscheidung. Nein, nicht damals. Das war lange vorher gewesen.
    In den Ölsäcken war noch Geld. Die Waffen lagen auf dem Grund oder waren weiter nach Norden getrieben worden, wie die Körper.
    Der Sohn des Jungen hatte keine Fragen gestellt.
    Der Sohn des Jungen.
    Hier!
    Nimm das!
    Sie würden ihn niemals finden. Nie! Sein Gesicht war ein anderes, sein Körper. Sein Name. Sein Leben, das noch übrig war.
    Er sah sie draußen auf der Straße, aber das war ein Zufall. Sie hatten vor der Telefonzelle gestanden, ein Zufall. Sie waren vorbeigegangen.
    Keiner von ihnen würde es erfahren!

49
    Aneta Djanali saß in Halders' Küche. Sie hatte sich in eine Decke gewickelt, sie fror, und die Küche war der wärmste Raum. Hannes und Magda waren auf einem Geburtstagsfest in einer Villa drei Häuser entfernt. Es war noch nicht Abend. Halders machte irgendeine Pie. Es roch gut aus dem Backofen. Halders ließ Lucinda Williams mit gebrochener Stimme im Wohnzimmer singen, lonely girls, heavy blankets cover lonely girls.
    Aneta Djanali hatte ein kurzes Gespräch mit Anette Lindsten gehabt. Anette war auf dem Weg zum Haus am Meer gewesen. Sagte sie.
    War es wieder eine Flucht?
    Alles in dieser Sache war Flucht, manchmal unsichtbar.
    Das ist ein Teil der Hölle, in die Frauen geraten, dachte sie. Eine ekelhafte Kombination aus Schuld und Entsetzen und Kontrolle und Besitz.
    Sie wollte nicht daran denken, aber sie konnte es nicht lassen.
    Es ging um das Recht der Frau auf ihr Leben.

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