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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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fragte er in einem Tonfall, als wollte er fragen >Sind Sie eine echte Polizistin?<.
    »Ist ihr Vater zu Hause?«, fragte Aneta Djanali. »Sigge Lindsten? Ist er da?«
    »ICH bin Sigge Lindsten«, sagte der Fremde in der Tür.
    »ICH bin ihr Vater!«
    Sie sah das andere Gesicht vor sich, den anderen Vater Lindsten, der ruhig Anettes Wohnung ausgeräumt hatte. Der Vater, der gute und besonnene. Und den Bruder, den abweisenden Bruder.
    »Pe. Peter«, sagte Aneta Djanali, ihr wurde immer schwindliger.
    »Wie bitte? Von wem faseln Sie da?«, fragte der Mann.
    »Peter Lindsten, ihrem Bruder. Anettes Bruder.«
    »Zum Teufel, Anette hat keinen Bruder!«
    Bertil Ringmar lehnte am Fenster und schaute auf den Fattighusän. Die Gebäude am anderen Ufer waren neu, Privathäuser von Privilegierten, die Armenhäuser waren längst verschwunden. Überall sind sie verschwunden, dachte er. Die Häuser sind weg, aber die Armen gibt es noch.
    »Deprimiert es dich nicht, wenn du jeden Tag auf den Fluss der Armen schauen musst?« Er wandte sich zu Winter um, der tatenlos an seinem Schreibtisch saß.
    »Schon.«
    »Dann unternimm doch was dagegen.« Winter lachte.
    »Das ist gerade der Sinn«, sagte er. »Was? Dass man deprimiert wird?« »Ja.«
    »Warum?«
    »Dann verlässt man das Zimmer lieber und geht nach draußen.«
    »Gehst du deswegen so oft weg?«
    »Ja.«
    »Mhm.«
    »Ich hab drüber nachgedacht«, sagte Winter, »über dieses verdammte Büro.«
    »Was hast du gedacht?«
    »Dass ich hier nicht mehr sein will.«
    »Ach nein?«
    »Ich werde mir ein Büro in der Stadt einrichten.« »Ach ja?«
    »In einem Cafe. Oder in einer Bar.« »Dein Büro in einer Bar?« »Ja.«
    »Verhöre in einer Bar?« »Ja.«
    »Eine glänzende Idee.« »Nicht wahr?«
    »Hast du schon mit Birgersson darüber gesprochen?« »Muss man das?«
    Ringmar lächelte. Birgersson war Kommissar und Chef vom Gewaltdezernat. Winter war Kommissar und stellvertretender Chef. Ringmar war nur Kommissar, und das reichte ihm. Er wusste auch so, dass nichts ohne ihn lief.
    Man brauchte sich nur Winter anzuschauen! Saß auf seinem Stuhl und tat absolut nichts, und dabei würde es bleiben, wenn es nicht Ringmar gäbe. Wenn er zum Beispiel dieses Gespräch nicht in Gang hielt.
    Oder dieses Zimmer. In der einen Ecke gab es ein Waschbecken, wo Winter sich rasieren konnte, wenn er rastlos war. An einer Wand hing ein Plan von Göteborg. In dem waren einige mystische Kreise und Striche von Ermittlungen vergangener Zeiten eingetragen. Es waren viele Striche. Winter - und er selber - hatten den Stadtplan umgezeichnet. Ihr Plan zeigte das kriminelle Göteborg. Diese Stadt erstreckte sich in viele Richtungen, in fremde Himmelsrichtungen. Im offiziellen Bild von Göteborg gab es solche Himmelsrichtungen nicht.
    Winter saß auf seinem Stuhl, der allzu bequem war, allzu neu. Kürzlich hatte er das Zimmer neu tapeziert. Er hatte neue Bücherregale aufgestellt, andere Lampen angebracht als die, die die Zimmer der anderen Kollegen dieses schönen Hauses beleuchteten. Er hatte eine eigene kleine Sitzecke angeschleppt.
    Jetzt wollte er wegziehen. In ein Cafe. Eine Bar.
    Auf dem Fußboden, einen Meter von Ringmar entfernt, stand der unvermeidliche Panasonic, und das unvermeidliche Tenorsaxophon brüllte einen atonalen Blues. Coltrane? Nein. Irgendwas anderes, aus unserer Zeit. Das war gut. Deprimierend gut.
    »Was ist das?« Ringmar nickte zu dem tragbaren Stereo.
    »Michael Brecker«, sagte Winter. »Und nicht nur er. Pat Metheny, Jack DeJohnette, Dave Holland, Joey Calderazzo, McCoy Tyner, Don Alias.«
    »Alias? Wie heißt der in Wirklichkeit?«
    Winter lachte wieder und zündete sich einen Corps an. Der dünne Zigarillo machte eine wippende Bewegung in seinem Mund.
    »Hört sich an, als hättest du die ganze Fahndungsgruppe aufgezählt«, sagte Ringmar. »Wenn man es so sehen will.« »Darf ich die mal leihen?«
    Winter drehte sich auf dem Stuhl um. Er reichte gerade an den Ständer mit den CDs heran und nahm eine Hülle heraus, die er Ringmar wie eine Frisbeescheibe zuwarf. Der fing sie mit einer eleganten Handbewegung auf. Er sah den Rücken eines Mannes in schwarzem Mantel, der an einem Fluss entlangging. Tales from the Hudson stand darunter. Ringmar dachte an den trägen Fluss hinter ihnen, und er dachte an etwas anderes.
    »Der Hudson«, sagte er.
    Winter wusste, woran er dachte.
    »Wie geht es Martin?«, fragte er.
    »Gut.«
    »Ist er immer noch in New York?« »Ja.«
    Ringmars Sohn

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