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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Alkohol in ein Glas und stellte es vor den Fremden hin. Sie sprach ihren Dialekt, den manche für ein schreckliches Kauderwelsch hielten: »This's from Orkney, do y'know?«, sagte sie.
    »No.«
    »I thoughty'know«, sagte sie.
    Der Fremde trank. Die Bewegungen der Frau waren wieder erstarrt. Der Fremde nahm sein Glas vom Mund, wandte sich ihm zu und hob sein Glas einige Zentimeter. Der Fremde schien aus dem Fenster zu schauen. Draußen gab es nichts. Der Fremde veränderte jetzt die Blickrichtung. Er nahm es aus den Augenwinkeln wahr. Jemand sah ihn.
    Er wandte dem Mann das Gesicht zu. Er nickte, ohne etwas zu sagen.
    Der Fremde war jünger als er, aber kein junger Mann mehr. In seinen Augen war ein eigentümlicher Blick. In seinem Gesicht gab es Linien. Das Glas in seiner Hand zitterte. Er stellte es ab und wischte sich hastig über den Mund.
    Die Frau hatte die Theke verlassen.
    Ich sollte nicht mehr hierher gehen, dachte er. Warum geh ich eigentlich hierher?
    Die Antwort weiß ich natürlich.
    »Areyou from aroundhere?«, fragte der Fremde.

14
    Winter bekam die »Silvertärnan« von Saltholmen um 10.20 Uhr. Der Mercedes stand im östlichen Bootshafen, sichtbar falsch geparkt mit dem Polizeischild hinter der Windschutzscheibe.
    Einmal war jemand ins Auto eingebrochen und hatte das Schild geklaut. Er hatte lange danach gefahndet.
    Er kaufte eine Tasse Tee, als sie ablegten. Die Sonne war allein am Himmel. Die Klippen schimmerten grau und silbern. Die Ausfahrt war voller Klippen und Steine. Überall Steine, die Inseln waren, den ganzen Weg bis hinaus ins offene Meer.
    Das Wasser war ruhig. Sie legten bei Asperö Östra an, ließen eine Frau mit einem Kind in einem Buggy aussteigen und nahmen Waren an Bord, eckige Pakete, die mit Stahlband umwickelt waren und aussahen, als wären sie auf dem Weg zur anderen Seite der Welt, in ein tropisches Land.
    Die Felsen waren nackt, sie boten keinen Schutz. Zwischen ihnen und dem Wasser wuchs Schilfröhricht. Ein Meeresacker. Der Weg führte zu einem Haus, das vom Anleger aus nicht zu sehen war.
    Er war nicht mehr hier gewesen, seit er vor langer Zeit eine Feuerstelle auf dem höchsten Punkt des Berges gelöscht und das widerlichste Dokument gefunden hatte, das er je gesehen hatte und je sehen würde. Es waren Videoaufnahmen gewesen.
    Er hatte in den Abgrund geblickt.
    Die Erinnerung hatte ihn nicht losgelassen, diese nicht. Eigentlich sollten Erinnerungen vergilben und sich langsam auflösen wie eine Zeitung, ein Farbfoto, ein Plakat. Verblassen. Diese nicht.
    Die Felsen waren immer noch verbrannt vom Sommer. Das Schiff war nur halb besetzt. Rentner, die ständig in den Schären herumreisten, Büroleute auf dem Weg zu einer Konferenz in einem der Gasthäuser, Jugendliche auf dem Nachhauseweg von der Schule. Der Himmel war wie ein rußiges Segel quer über die Inseln gespannt. Sie legten bei Styrsö Skäret an. Von hier konnte man mehr vom Meer sehen. Es ging immer weiter fort durchs Kattegatt und Skagerrak, über die Nordsee und schlug gegen die Strände von Aberdeen, floss weiter nach Norden und um den Kopf der Alten herum, die Schottland war, wenn man eine Karte von Großbritannien betrachtete. Eine alte Frau mit einer Haube.
    Am Kai von Styrsö stand eine Alte mit Haube. Ein Mann ging auf sie zu und zog ihr die Haube vom Kopf, und da war sie keine Alte mehr, sondern eine junge Frau.
    Das Paar ging Arm in Arm davon. Er sah den Weg, der damals ein Pfad gewesen war, als er hier in dem Haus gewohnt hatte, das die Familie Winter für kurze Zeit gemietet hatte. Er hatte es vermisst. Dann war all das andere passiert, und er spürte es JETZT, plötzlich, und jetzt, als ob er in der Steinwüste in der Stadtmitte eingemauert wäre. Dass er diese Mauer durchbrechen musste.
    Während »Silvertärnan« in vier Minuten die Bucht nach Donsö kreuzte, begriff er, dass die Zeit in der Stadt bald vorbei war. Als er vor einer Weile am Ufer neben dem Feld mit dem Pfad gestanden hatte, war er immer noch nicht sicher gewesen, aber in dieser Sekunde wusste er es.
    Johanna Osvald wartete am Kai von Donsö. Hier erkannte er sie wieder. Die Zeit war vergangen, aber sie stand immer noch an der Stelle, die dieselbe sein mochte wie damals.
    Der Ort hinter ihr kletterte am Fels hoch. Ein Teil der Häuser schien wie aus Stein gehauen. Es gab viele Villen, manche größer, manche aus teurem Holz erbaut. Er wusste, dass die Reedereiwirtschaft beherrschend war auf der Insel, sie hatte Reichtum gebracht. Die

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