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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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Fischereiflotte war groß gewesen, doch jetzt sah er nicht viele Trawler im Hafen. Aber die sollten ja auch nicht hier liegen, sie sollten draußen auf dem Meer sein. Er sah einen modernen Trawler. Das Schiff war breit, schwer, groß, blau. Am Bug stand »GG 381 MAGDALENA« gepinselt. Er sah einen Mann, der ihn anzuschauen schien, die Hand unter der Schirmmütze über die Augen gewölbt.
    Er sah ein Kreuz an einem Hausgiebel. Auf Donsö war man fromm, daran erinnerte er sich. Die Gottesdienste waren gut besucht. Das hatte sich wohl kaum geändert.
    Menschen legen ihre Leben in Gottes Hände. Sein Wille geschehe.
    Johanna Osvald hob die Hand zum Gruß. Er stand am Bug der »Silvertärnan« und hob den Arm. Leute gingen vor ihm von Bord. Eine kleine Gruppe Jungen wartete mit Fahrrädern am Kai, wartete auf nichts, wie immer. Möwen kreisten über dem Hafen auf der Jagd nach Fischabfall. Es roch nach Fisch, Öl, Tran, Benzin, Tang, Teer. Kein Meer der Welt konnte diesen Geruch abwaschen.
    Sie hatte nicht nach Tran gerochen. Darüber hatte er einmal einen Witz auf der Klippe gemacht. Riechen Bauernmädchen nach Dung?, hatte sie spitz gefragt.
    »Du bist verflixt schwer zu erreichen«, sagte er auf dem Kai.
    »Das musst ausgerechnet du sagen«, antwortete sie.
    Sie hatten sich kurzfristig am Telefon verabredet.
    Sie setzten sich auf die nächstbeste Bank.
    Ihr Vater war noch nicht wieder aufgetaucht.
    »Ich glaube, ihm ist etwas passiert«, sagte sie. »Sonst hätte Papa längst von sich hören lassen.« Sie sah ihn an.
    »Was meinst du?«
    »Du kennst ihn, ich kenne ihn nicht. Du musst es am besten wissen.«
    »Ich weiß es«, sagte sie.
    »Ich geb eine Suchmeldung nach ihm raus«, sagte Winter. »Wir machen eine internationale Fahndung via Interpol.«
    »Ja.«
    »Ich hab mit meinem Kollegen in London gesprochen. Dem Schotten aus der Gegend von Inverness. Vielleicht kann er helfen.«
    »Und wie?«
    »Er kennt Leute da oben.«
    Sie antwortete nicht, schien übers Wasser zu schauen. »Ja...«, sagte Winter. »Ja was?«
    »Mehr kann ich wohl nicht.«
    »Ich wollte, dass du rauskommst«, sagte sie.
    »Wie meinst du das?«
    »Hier ist was, das ich nicht richtig verstehe. Was ich nie verstanden habe. Ich muss mit dir darüber reden. Darum wollte ich, dass du kommst.«
    »Und um was geht es?«, fragte Winter.
    »Was ich nicht verstehe?« Sie schaute auf. »Es hängt mit alldem zusammen. Mit dem Verschwinden meines Großvaters . zunächst . mit allem, was.«
    »Hallo, du hier?«
    Die Stimme kam aus dem Nichts. Winter sah auf und konnte erst nichts erkennen im Gegenlicht.
    Die Stimme kam ihm bekannt vor. Und der Dialekt. Der Dialekt der Schären, die spitze Satzmelodie, der sorglose Umgang mit den Konsonanten, alles floss ineinander, fast wie das wogende Meer, wie die Wogen selber. Eine internationale Meeressprache, die mit der Küstenregion rund um die ganze Nordsee zusammenhing. Diese Insel war nur einige Kilometer vom Stadtzentrum Göteborgs entfernt, aber es könnte ein ganzer Kontinent dazwischen liegen.
    »Das ist aber lange her«, sagte die Stimme, die immer noch kein Gesicht hatte.
    Winter erhob sich. Die Sonne verschwand. Das Gesicht wurde sichtbar.
    »Hallo«, sagte Winter.
    »Das ist aber lange her«, wiederholte der Mann, der in Winters Alter war. Erik Osvald. Er war genauso groß wie Winter. Erik Osvald streckte seine Hand aus. Er trug eine schwarze Schirmmütze und Arbeitskleidung. Winter erkannte in ihm den Mann, der ihn vom Trawler aus gemustert hatte, als »Silvertärnan« in den Hafen lief.
    Johanna Osvald hatte sich auch erhoben.
    »Eine wirklich schlimme Sache«, sagte der Mann in seinem Dialekt, der Distanz schaffte. Als wollte er etwas markieren. Seine Schwester sprach nicht so . raffiniert. Nein. Das nicht. Sie sprach, als würde sie auf dem Land leben. Ihr Bruder lebte auf dem Meer.
    Winter nickte, als hätte er alles verstanden, was Erik Osvald sagte. »Wir haben nichts gehört«, fuhr der Bruder fort. »Ich weiß«, sagte Winter.
    Erik Osvald sagte etwas, das Winter nicht verstand. »Wie bitte?«
    »Das sieht ihm nicht ähnlich«, übersetzte die Schwester. Winter meinte ein schwaches Lächeln in ihrem Mundwinkel zu sehen. »Unserem Vater also. Es sieht ihm nicht ähnlich, nichts von sich hören zu lassen. Aber das hab ich ja schon gesagt.«
    Erik Osvald wiederholte, was er gesagt hatte, noch breiter, und Winter begriff, dass er es extra machte. Er verstand nur nicht, warum.
    Johanna Osvald nickte an

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