Segel aus Stein
werden«, sagte er. Sie fühlte, wie er die Decke von ihrem Kopf zog. »Hörst du, Aneta?«
Das Licht der Nachttischlampe fiel ihr in die Augen, sie blinzelte. Sein Gesicht war schwarz im Gegenlicht, schwarz, das Gesicht eines Afrikaners. Wer ihn nicht kannte, könnte glauben, er sei gefährlich. Einige, die ihn kannten, glaubten das tatsächlich. Es war nicht immer gut gewesen.
»Du hast nicht direkt was damit zu tun, und ein Typ wie dieser Forsblad kann Ärger machen.«
»Was meinst du damit?«
Sie zog die Decke an sich und wickelte sich darin ein. Sie hörte die Musik, die Fredrik angestellt hatte, James Carr, The Dark End Of the Street, vierzig Jahre alter Soul aus dem Süden, at the dark end of the street, that is where we always meet.
»Wie du ihn beschrieben hast, scheint er ein Psychopath zu sein. Wenn er sich einbildet, du seist hinter ihm her, ohne dass er eine Ursache dafür sieht, kann es unangenehm werden.«
»Für ihn, ja.«
»Für dich, Aneta.«
»Das spielt doch keine Rolle, oder? Wenn er ein Psychopath ist, dann wird er sich auf jeden Fall einbilden, dass ich hinter ihm her bin, egal, ob er einen Grund dafür sieht oder nicht?«
Halders schwieg.
»Oder?«, fragte Aneta Djanali.
»Nun sei doch nicht wieder so ... verdammt smart«, sagte er. Er zerstrubbelte ihre Haare. »Hör auf mich, auch wenn ich es plumper ausdrücke, als es dir gefällt.«
Sie setzte sich kerzengerade hin. Die Decke rutschte herunter. Sie schlang die Arme um Brust und Schultern, als würde sie frieren.
»Der hat was Gefährliches an sich«, sagte sie. »Ich spüre es. Ich sehe es.«
»Genau das sage ich doch!«
»Aber verstehst du nicht? Er ist eine Gefahr für sie. Er wird sie wieder angreifen.«
»Das kannst du nicht wissen.«
»Und ob, das weiß ich.«
Halders stand auf und ging zum CD-Spieler, der verstummt war. Sie hörte ihn zwischen den CDs suchen, unbeholfen wie immer. Als die Musik erklang, erkannte sie den Rhythmus, auch die Stimme des Sängers. Es war schließlich ihre CD. Gabin Dabire. Afriki Djamana -Music From Burkina Faso.
Die Musik bewegte sich wie eine Karawane durch die Wüste, schwankte, hob und senkte sich. Das Lied hieß Senegal und handelte von Sehnsucht, vielleicht von der Sehnsucht nach dem Meer im Westen:
Du sagst du willst nach Senegal fahren Die Scham abwaschen die alle berührt Gegen das Böse Die Sehnsucht nach unserem Senegal.
Hier bin ich ... mit der aufgehenden Sonne ... und erzähle Lass uns die Hände reichen und die Feindschaft vergessen.
Lass unser Volk gemeinsam wandern.
»Verstehst du, wovon er singt?«, fragte Halders.
»Ja.«
»Er wird sie nicht in Frieden lassen«, sagte Aneta Djanali.
»Was? Wer?«
»Forsblad natürlich. Er kann nicht akzeptieren, dass sie ihn nicht haben will.«
»Er wohnt doch schon bei einer anderen.«
»Behauptet er.«
»Dann lass es ihn behaupten. Selbst wenn es nicht so ist, hilft es ihm vielleicht.«
»Wie denn?«
»Ich bin kein Psychopath«, sagte Halders. »Ich weiß nicht, wie er denkt, aber ich kann mir vor.«
»Das werden ja nur immer mehr Lügen«, unterbrach Aneta ihn.
»Ich bin auch kein Psychologe, aber wenn er sich eine eigene Welt bastelt, in der er sich einbildet, eine neue Frau zu haben, dann ist das vielleicht ganz gut.«
»Eine neue Frau, die er schlagen kann?«
Halders antwortete nicht.
»Der Kerl ist gefährlich«, sagte Aneta Djanali. »Darüber sind wir uns ja sogar einig.«
»Lass es«, sagte Halders. »Lass ihn und sie und die ganze Familie, ob es sie nun gibt oder nicht.«
Sie schwieg.
»Und die Möbel.« Halders lächelte.
»Ich hab Anette nicht mal getroffen, jedenfalls nicht richtig«, murmelte Aneta. »Sie hat die Misshandlungen nie selbst angezeigt.« Sie hörte Halders seufzen. »Aber die Nachbarn haben angerufen. Mehrere Male. Und die Frau in ihrem Treppenhaus hat Verletzungen in ihrem Gesicht gesehen.«
»Aneta, sie wohnt da nicht mehr. Er wohnt da nicht mehr. Sie wohnt zu Hause, im Schutz ihrer Eltern. Er wohnt vielleicht bei einer neuen Frau. Vielleicht schlägt er sie auch, und dann greifen wir zu. Aber jetzt ka...«
»Was meinst du, wie viele neue Gewalttaten geschehen, während solche Gespräche geführt werden wie das, was wir jetzt führen?«, sagte sie. »Misshandlung? Während wir, die Verbrechen vorbeugen sollen, zu dem Ergebnis kommen, dass keine Gefahr und kaum ein Anlass besteht, gerade dieser Bedrohung vorzubeugen, und dann passiert das Verbrechen. Es wird wieder
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