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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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»Nein. Die Religion hat nichts mit dem Fischen zu tun.«
    »Ach?«
    Osvald schüttelte den Kopf.
    »Aber muss das nicht irgendwie zusammenhängen?«
    »Wie meinst du das?«, fragte Osvald.
    »Hier ist die Kirche doch so wichtig. Sie ist überall gegenwärtig.«
    »Mhm.«
    Winter wusste nicht, ob Osvald noch etwas sagen würde. Aber er wusste, dass dies hier wichtig war. Hier war die Religion ein wichtiges Thema.
    »Hier findet niemand etwas Besonderes daran, in die Kirche zu gehen, wenn man bei Sturm einen fremden Hafen anlaufen muss zum Beispiel«, sagte Osvald nach einem Moment. »Kein Fischer von der Westküste würde auch nur eine Sekunde zögern.«
    Winter nickte.
    »Alle Fischer von der Westküste glauben an Gott«, sagte Osvald.
    »Heißt das, an Bord von Fischerbooten herrscht eine gottesfürchtige Stimmung?«, fragte Winter.
    »Wir alle fürchten Gott«, sagte Osvald.
    »Und keiner begeht irgendetwas Böses an Bord?«, fragte Winter.
    Osvald antwortete nicht.
    »An Bord eines Fischerbootes flucht niemand«, sagte Johanna Osvald, als sie in ihrem Haus saßen. Ihr Bruder nickte. Es war dunkel geworden. Winter wollte um 19.02 Uhr mit der »Skarven« zurück nach Saltholmen fahren.
    »Nicht einmal, wenn sich einer die Finger einklemmt?«
    »Nicht mal dann«, sagte Erik Osvald. »Man zuckt richtig zusammen, wenn man jemanden fluchen hört, über Funk oder so . das müssen dann Fischer von der Ostküste oder aus Dänemark sein.«
    »Habt ihr viel mit Dänemark zu tun?«
    »Wir löschen den ganzen Fisch in Dänemark«, sagte Erik Osvald. »In Hanstholm auf Jütland. Das liegt westlich von der Jammerbucht. Auf der anderen Seite von Hirtshals.«
    »Westlich von Blokhus?«, fragte Winter.
    »Äh ... genau. Blokhus liegt tiefer in der Bucht.«
    Winter kannte Blokhus. Vor einigen Jahren hatte er dort einen Teil der Antworten zu einem Fall gefunden, an dem er arbeitete. Die alten Spuren einer ermordeten Frau ohne Identität hatten ihn nach Dänemark und in die Jammerbucht geführt. Von dort hatte die Vergangenheit ihre langen Schatten in die Zukunft geworfen, die das Jetzt war.
    »Die >Magdalena< liegt nie hier im Hafen von Donsö«, sagte Erik Osvald.
    »Ach?«
    »Nein, nein, die liegt hier jetzt nur zur Überholung. Sonst wechselt die Besatzung auf Hanstholm.«
    Erik Osvald erzählte. Sechs Tage lang lag die »Magdalena« draußen und fischte Dorsch und Schellfisch, am siebten Tag fuhr sie morgens um fünf mit dem ausgenommenen Fisch nach Hanstholm, wo gewogen und sortiert, der Dorsch in sechs und der Schellfisch in vier verschiedenen Größen abgepackt wurde. Fünfzehn bis 20 Tonnen Fisch. Um sieben Uhr fand die Fischauktion statt, überall entlang der Nordsee und am nördlichen Atlantik zur selben Zeit. Vormittags kümmerten sich die vier an Bord um die Instandhaltung und den Proviant. Gegen Mittag kam die Ablösung. Dann legte die »Magdalena« sofort ab. Die alte Besatzung setzte sich in das Auto der Ablöser und fuhr durch Jütland zur Fähre nach Frederikshavn.
    »Was passiert mit dem Fisch?«, fragte Winter.
    »Fish & chips in Schottland«, sagte Erik Osvald.
    »Wirklich?«
    »Der Schellfisch muss klein ausfAllen, er darf kein festes Fleisch haben. Kleine Dorsche sind auch für fish & chips geeignet. Die Ware wird mit Lastern auf der Fähre nach Schottland transportiert. Das ist etwas merkwürdig, nicht? Wir liegen vor Schottland und holen den Fisch aus dem Meer, der schließlich mit Lastern von Dänemark zurück nach Schottland geht. Von Hanstholm fährt übrigens eine Fähre direkt nach Thurso.«
    »Das wusste ich gar nicht«, sagte Winter.
    »Muss man ja auch nicht wissen.«
    Winter hatte ein seltsames Gefühl. In dem, was Erik Osvald gesagt hatte, war etwas, dem lauschte Winter nach. Etwas, das er in dem Augenblick nicht verstand.
    Später, als draußen der Wind zu hören war, fragte Winter:
    »Was ist das Schlimmste, wenn man draußen ist?«
    »Ja...« Erik Osvald sah seine Schwester an. Sie hatte in der letzten halben Stunde nicht viel gesagt. Aber Winter wusste, dass er mit ihr sprechen würde.
    »Die Stürme haben uns ja nie unterkriegen können«, fuhr Erik Osvald fort. »Auch keine Schiffbrüche, Schäden . niemals so was . man muss eben die Zähne zusammenbeißen, dann kommt man schon drüber weg.«
    »Das Schweigen«, sagte Johanna Osvald plötzlich.
    Ihr Bruder zuckte zusammen. Dann nickte er.
    »Welches Schweigen?«, fragte Winter.
    »Das Schweigen unter der Besatzung«, sagte Johanna Osvald.

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