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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gab die Angaben weiter, die er von Johanna Osvald bekommen hatte. Er hatte auch Fotos von dem Mann, den er noch nie getroffen hatte.
    Als Winter die Tochter kennen lernte, in jenem Sommer, war ihr Vater auf dem Meer, vielleicht auf halbem Weg von oder nach Schottland.
    Er hatte damals auch Erik Osvald getroffen, aber ihn nicht als Fischer betrachtet. Doch das war er damals schon gewesen, Fischer, ein sehr junger Fischer.
    »Vielleicht hat Osvald da oben in den Highlands jemanden getroffen und beschlossen, in den Untergrund zu gehen«, sagte Ringmar, der am Fenster stand.
    »In den Highlands in den Untergrund gehen?«, sagte Winter.
    »Ich werde in diesem Haus keine abgegriffenen Redensarten mehr benutzen«, sagte Ringmar. »Von mir gibt es keine sprachlichen Klischees mehr.«
    »Danke, Bertil.«
    »Aber was hältst du von der Idee? Könnte es vielleicht seine eigene Entscheidung gewesen sein?«
    »Ich glaub nicht, dass er der Typ ist. Und deswegen ist er auch nicht rübergefahren.«
    »Warum ist er eigentlich rübergefahren, genau genommen?«
    »Um nach seinem Vater zu suchen.«
    »Es war doch nicht das erste Mal?«
    »Aber jetzt gab es einen neuen Anlass«, sagte Winter.
    »Die mystische Mitteilung.«
    »Ist sie mystisch?«, fragte Winter.
    Ringmar ging zu Winters Schreibtisch, hob die Kopie hoch und las:
    THINGS ARE NOT WHAT THEY LOOK LIKE. JOHN OSWALD IS NOT WHAT HE SEEMS TO BE.
    »Tja«, sagte Ringmar.
    »Ist das mystisch?«, wiederholte Winter.
    »Wenn nichts anderes, merkwürdig ist es schon«, sagte Ringmar.
    »Anlass genug, rüberzufahren?«
    »Tja.«
    »Du bist sehr klar in deinen Aussagen, Bertil. Das gefällt mir.«
    »An dieser Nachricht ist was Tautologisches, das stört mich«, sagte Ringmar und schaute auf. »Da wird zweimal ungefähr dasselbe ausgedrückt.«
    Winter nickte und wartete.
    »Die Dinge sind nicht so, wie sie zu sein scheinen. Das heißt: John ist nicht der, der er zu sein scheint. Oder für was er gehalten wird.« Ringmar schaute auf. »Für was wird er gehalten? Tot, oder? Ertrunken.«
    »Man weiß nicht, ob er ertrunken ist.«
    »Will uns die Nachricht das sagen? Dass er nicht ertrunken ist. Dass er seit dem Krieg tot ist, aber nicht durch Ertrinken umgekommen ist?«
    »Wie ist es dann passiert?«, fragte Winter.
    Jetzt waren sie mittendrin, der innere Dialog, den jeder mit sich selber führte, war zu hörbarem Niveau hochgeschraubt. Manchmal kamen sie auf diese Weise zu Ergebnissen. Man wusste es nie.
    »Ein Verbrechen«, sagte Ringmar.
    »Ist er ermordet worden?«
    »Vielleicht. Oder Tod durch Fahrlässigkeit. Ein Unfall.«
    »Aber weiß das jemand?«
    »Ja.«
    »Der den Brief geschrieben hat?«
    »Das braucht nicht dieselbe Person zu sein, die mit seinem Verschwinden zu tun hat, seinem Tod.«
    »Die Dinge sind nicht so, wie sie zu sein scheinen«, wiederholte Winter.
    »Wenn man es so deuten soll«, sagte Ringmar. »Vielleicht sehen wir nicht alle Bedeutungsnuancen.«
    »Dann brauchen wir jemanden, dessen Muttersprache Englisch ist«, sagte Winter.
    »Den haben wir doch«, sagte Ringmar. »Deinen Freund Macdonald.«
    »Er ist kein Engländer«, sagte Winter. »Er ist Schotte.«
    »Umso besser. Der Brief kommt doch aus Schottland.«
    Winter las die Sätze noch einmal.
    »Es muss nicht unbedingt nur um John Osvald gehen«, sagte er. »Die oberste Zeile handelt vielleicht gar nicht von ihm.«
    »Sprich weiter.«
    »Es kann sich um seine Umgebung handeln. Seine Geschichte. Menschen, mit denen er früher umgegangen ist, früher und jetzt.«
    »Seine Verwandten«, sagte Ringmar. »Seine Kinder und Kindeskinder.«
    »Seine Kinder oder Kindeskinder sind nicht die, die sie zu sein scheinen?«
    Ringmar zuckte mit den Schultern.
    Winter las die Zeilen heute zum siebzehnten Mal.
    »Die Frage ist, was das alles bedeuten soll«, sagte er.
    »Wie meinst du das?«
    »Der Brief selber. Warum er geschickt wurde. Und warum JETZT? Warum mehr als sechzig Jahre, nachdem John Osvald verschwand?«

18
    Sie hörten Sigge Lindstens Stimme, bevor das Auto hielt. Sie hörten seine Schritte auf dem Kiesweg. Aneta Djanali kam es vor, als hätte sich die Gardine wieder bewegt. Fredrik hatte gesagt, es sei der Wind, das Fenster sei undicht.
    »Ja, hier ist niemand da«, sagte Lindsten.
    Was für eine seltsame Bemerkung, dachte Aneta Djanali.
    »Ich dachte, Sie würden zu Hause sein, als wir kamen«, sagte sie.
    »Ich hatte etwas zu erledigen. Ich musste mit Zack zum Tierarzt.«
    »Etwas Ernstes?«
    »Sie wussten es

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