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Segel aus Stein

Segel aus Stein

Titel: Segel aus Stein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
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gewesen, als sein Vater starb, nicht im Abgrund, aber im Hospital Costa del Sol, vor dem Fenster und über ihnen die Sierra Bianca, und sein Vater, der seinen letzten Atemzug getan hatte, nachdem sie ihr letztes Gespräch in diesem Leben gehabt hatten, der letzte kleine Moment, der der erste in vielen Jahren gewesen war.
    Die Stunden danach waren die schwersten seines Lebens gewesen, bis dahin, die härtesten, die schärfsten, die gemeinsten, schwer wie Felsblöcke.
    Sein Vater war begraben in der Erde des Berges. Von dort hatte man Aussicht übers Meer, bis nach Afrika, das eine Wüste auf der anderen Seite war.
    Er hatte keine guten Erinnerungen an seine Flugreisen an die Costa del Sol, nicht nach Hause und auch nicht dorthin.
    Endlich meldete sich seine Mutter.

20
    Ich zerfließe«, sagte Siv Winter. »Wir haben im Augenblick vierunddreißig Grad, in der letzten Woche waren es vierzig.«
    »Ich verstehe, das Leben ist eine Qual«, sagte Winter.
    »Na ja, so hab ich es nicht gemeint, Erik.«
    Er lächelte. Seine Mutter hatte viele Vorzüge, aber Ironie verstand sie nicht. Vielleicht ist das eine gute Eigenschaft, dachte er jetzt. Viel zu viele verbreiten Ironie um sich herum, die andere sich erst übersetzen müssen. Ach, das hast du gar nicht so gemeint? Aha. Okay, ich bin wahrscheinlich nicht smart genug. Ich hätte verstehen müssen, dass du genau das Gegenteil meinst.
    Bei seiner Arbeit meinten die Leute oft das Gegenteil. Aber sie waren nicht ironisch, sie logen nur.
    Er lebte in einer Welt voller Lügen. Das war seine Welt.
    Seine Arbeit bestand darin, Lügen zu übersetzen. Wie wird man selber dabei? Wenn man ständig davon ausgeht, dass alle immer lügen? Bei wem findet man Sicherheit, Glaube und Wahrheit?
    »Wie sind denn die Wetteraussichten?«, fragte er seine Mutter.
    »Es soll noch ein paar Wochen so bleiben, dann vielleicht etwas kühler werden.«
    »Kein Regen im Anzug?«
    »Nein, leider.«
    »Das ist gut.«
    »Wie meinst du das, Erik?«
    »Wir erwägen, ein paar Tage zu dir zu kommen.«
    »Hast du WIR gesagt? Alle?« »Ja.«
    »Das wäre aber schön, oh, wie schön!« »Finden wir auch.« »Was sagt Elsa?«
    »Sie weiß es noch nicht. Ich wollte erst mit dir sprechen.«
    »Aber Erik, du weißt doch, dass ihr immer willkommen seid. Und du bist ja nicht mehr hier gewesen, seit ... seit...«
    Sie beendete den Satz nicht, und das brauchte sie auch nicht. Zuletzt war er Weihnachten unten gewesen, am zweiten Weihnachtstag war er geflogen, und er hatte sieben Flaschen Whisky getrunken, zwar die lächerlich winzigen Flaschen, die es im Flugzeug gab, aber trotzdem, und Bier noch obendrauf. Danach war die halbe Bodenbesatzung auf dem Flugplatz von Malaga nötig gewesen, um ihn ins Auto zu bugsieren. Die Polizei war zur Stelle gewesen, aber nur um zu helfen. Ringmar hatte dort angerufen, als Winter das Flugzeug bestieg: Das erwartet euch in Malaga. Ringmar hatte es vorausgesehen und der spanische Kollege hatte es begriffen.
    Muy borracho. Si. Comprendo.
    Winter hatte es nicht begriffen, nicht als er nach all den Ereignissen der Weihnachtsfeiertage in Göteborg aufgebrochen war. Wer hätte das alles verstehen können? Wirklich alles verstehen? Er wollte es mit der Zeit begreifen. Das war ja möglich. Nichts Böses geschah ohne Grund. Es kam irgendwoher. Von Menschen. Das machte das Böse begreifbar, jedoch gleichzeitig noch entsetzlicher.
    Ringmar hatte Weihnachten die schreckliche Nacharbeit leisten müssen. Bertil war stark gewesen, stärker als er. Bertil hatte seine eigene private Hölle gehabt, aber er war ein großer Mensch, ein richtiger Mensch. Ohne Bertil geht es nicht, hatte Winter damals gedacht und hatte es auch später manchmal gedacht. Werde ich so wie er? Will ich das? Will ich stärker werden?
    »Ich klär mal die Einzelheiten«, sagte er zu seiner Mutter.
    »Bald?«
    »Ich hoffe es.«
    »Und ihr habt wahrscheinlich Mistwetter zu Hause, nehme ich an?«
    Er sah in den messerscharfen Sonnenschein des Altweibersommers.
    »Ja«, log er.
    Aneta Djanali fuhr in Richtung Süden und bog nach Krokslätt ab. Alles schien hier Jahrzehnte alt zu sein: die Häuser, die Straßen, die Schilder, die Läden, Putz, der von Hauswänden gefAllen und wieder erneuert worden war, Cafes mit zwei Tischen und fünf Stühlen.
    Sie war nicht allein unterwegs. Etwa hundert Meter vor sich bemerkte sie einen Volvo V40. Sie selber fuhr nicht ihr eigenes Auto. Dies war einer der nicht gekennzeichneten Wagen aus der Garage

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