Segeln im Sonnenwind
eine nicht ganz so laute gestern abend. Kinder sind nun mal Kinder. Ihre Tochter ist gestern nicht zur Schule gegangen – hat wohl ausgeschlafen, glauben wir. Die Party am Montag dauerte recht lange. Heute ist Ihre Tochter jedoch wieder in der Schule und sieht auch nicht schlecht aus. Sollen wir das mit auf die Rechnung setzen, oder bezahlen Sie diesen Extraservice gleich?«
Ich bezahlte ihn gleich und ging nach Hause. Ich war richtig erleichtert.
Ich öffnete die Tür und schnupperte. Das Haus konnte eine Lüftung vertragen.
Ebenso eine gründliche Reinigung, aber das waren alles Kleinigkeiten.
Priscilla kam kurz nach vier zurück und machte ein besorgtes Gesicht, lächelte jedoch, als ich es auch tat. Ich ignorierte das Chaos zu Hause und führte sie zum Abendessen aus, wobei ich ihr von meiner Reise erzählte. Teilweise wenigstens.
Am Freitag holte ich sie von der Schule ab und fuhr sie in die Praxis Jim Rumseys, wo ich einen Termin für sie vereinbart hatte. Priscilla wollte den Grund dafür wissen.
»Dr. Rumsey möchte dich eben nach einigen Monaten mal wieder sehen. Und es ist jetzt zwei Monate her.«
»Muß er wieder an mir herumfummeln?«
»Wahrscheinlich.«
»Ich mag nicht!«
»Sag das noch einmal. Sag es laut genug, damit man es auch in Dallas hört. Solltest du es nämlich ernst meinen, ziehe ich deinen Vater zu Rate. Er hat immer noch die Vormundschaft über dich. Na?«
Sie schwieg.
Etwa eine Stunde später rief mich Jim in sein Privatbüro. »Zunächst die gute Nachricht. Sie hat keine Filzläuse. Was sie jedoch hat, sind Syphilis und Tripper.«
Ich stieß einen herzerwärmenden Kraftausdruck zwischen den Zähnen hervor. Jim sagte: »Na na, das gehört sich aber nicht für eine Dame!«
»Ich bin keine Dame. Ich bin eine alte Schreckschraube mit einer unverbesserlichen Tochter. Hast du es ihr schon gesagt?«
»Ich sage es immer zuerst den Eltern.«
»In Ordnung. Dann erzählen wir es ihr jetzt.«
»Immer mit der Ruhe, Maureen. Ich empfehle, sie ins Krankenhaus zu bringen. Nicht nur wegen des Trippers und der Syphilis, sondern auch aufgrund ihrer emotionalen Verfassung. Im Moment ist sie noch hochnäsig, fast arrogant. Ich weiß nicht, wie das in zehn Minuten aussehen wird.«
»Ich richte mich ganz nach dir, Jim.«
»Dann rufe ich im Bell Memorial an und frage mal nach, ob wir sie gleich einweisen können.«
KAPITEL ZWEIUNDZWANZIG
DIE VERSAMMLUNG DER TOTEN
Ein Geräusch weckte mich. Ich befand mich immer noch in dem völlig abgedunkelten Lastwagen und drückte Pixel an mich. »Pixel, wo sind wir?«
» Fauuuch! «(Woher soll ich das wissen?)
»Still!« Jemand machte sich am Schloß zu schaffen.
» Miau? «
»Ich habe keine Ahnung. Schieß aber erst, wenn du das Weiße in ihren Augen erkennst.«
Jemand schob die Seitentür auf. Eine Silhouette zeichnete sich vor dem hellen Hintergrund ab. Ich blinzelte.
»Maureen Long?«
»Ich denke schon. Ja.«
»Entschuldigen Sie, daß wir Sie so lange im Dunkeln alleingelassen haben. Wir hatten jedoch Besuch von den Proktoren des Obersten Bischofs und haben uns eben erst mit ihnen auf die Höhe der Bestechungsgelder geeinigt. Jetzt heißt es aber in Gang kommen; das Schmiergeld hält nicht sehr lange vor. Ein Betrug zweiten Grades. Darf ich Ihnen helfen?«
Ich ergriff seine Hand – sie war knochig, trocken und kalt –, und er half mir aus dem Wagen, während ich Pixel auf dem linken Arm hielt. Er war ein kleiner Mann in einem dunklen, enganliegenden Anzug, und ich hatte nie zuvor ein Wesen gesehen, bei dem die Bezeichnung ›menschliches Skelett‹ zutreffender gewesen wäre. Seine Haut wirkte wie gelbes Pergament, das sich über Knochen und sonst fast nichts spannte. Der Schädel trug keinerlei Haare. »Gestatten Sie mir, mich Ihnen vorzustellen«, sagte er. »Ich bin Dr. Frankenstein.«
»Frankenstein«, wiederholte ich. »Haben wir uns nicht schon mal bei Schwab's am Sunset Boulevard getroffen?«
Er lachte leise, ein Ton, der an das Rascheln trockener Blätter erinnerte. »Sie belieben zu scherzen. Das ist natürlich nicht mein richtiger Name, sondern einer, den ich in meinem Beruf benutze. Sie werden das bald verstehen. Hier entlang bitte.«
Wir befanden uns in einem fensterlosen Raum mit einer gewölbten, leuchtenden Decke, anscheinend ein Douglas-Martin-Rundumleuchtdach. Der Mann ging mir voraus zu einem Aufzug. Als wir die Kabine betreten hatten und die Tür sich schloß, versuchte sich Pixel meinem Griff zu entwinden. Ich hielt
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