Segeln im Sonnenwind
Raketen gesehen habe, solange man sie überhaupt benutzte. Ich kenne keinen Planeten in irgendeinem erforschten Universum, auf dem noch Großraketen zum Einsatz kommen. Sie sind einfach zu teuer, zu verschwenderisch und zu gefährlich.
Aber auch so phantastisch!
Es war dunkel, als ich auf dem Parkplatz eintraf. Der Vollmond stieg im Osten auf. Die Pioneer war sieben Meilen entfernt, aber im Scheinwerferlicht trotzdem leicht zu entdecken, wie sie hoch und stolz in den Himmel ragte.
Ich warf einen Blick auf die Uhr und dann durch das Fernglas in Richtung Blockhaus. Die weiße Flamme schoß exakt zum geplanten Zeitpunkt hervor.
Eine weitere Flamme eruptierte in einem roten und grünen Feuerball. Noch fünf Minuten.
Diese fünf Minuten kamen mir wie eine halbe Stunde vor. Ich glaubte schon, der Start wäre abgebrochen worden, und empfand einen unerträglichen Kummer.
Weißes Feuer leckte aus der Unterseite des Schiffes hervor, und langsam und bedächtig hob es von der Plattform ab. Es wurde schneller und immer schneller und badete die gesamte Landschaft in einem mehrere Meilen messenden Umkreis in helles Licht.
Das Schiff stieg bis in den scheinbaren Zenith und erweckte den Eindruck, sich gen Westen zu neigen; ich glaubte fast schon, es würde auf uns stürzen.
Aber dann war das Licht nicht mehr so hell, und wir konnten jetzt sehen, daß es sich ostwärts bewegte wie ein heller, dahineilender Stern. Der Stern schien auseinanderzubrechen, und eine Stimme aus dem Radio sagte: »Stufe fünf wurde abgeworfen.« Ich bekam wieder Luft.
Und dann brach der Lärm über uns herein. Wie viele Sekunden benötigt der Schall für sieben Meilen? Ich habe es vergessen, und in jener Nacht vergingen auch keine gewöhnlichen Sekunden.
Es war ein »weißes Rauschen« und selbst auf diese Distanz fast unerträglich. Es donnerte in einem fort, und schließlich erreichte uns auch die Turbulenz, peitschte Röcke hoch und warf Stühle um. Jemand fiel zu Boden, fluchte und sagte: »Ich werde jemanden verklagen!«
Der Mensch war unterwegs zum Mond, hatte den ersten Schritt aus dem Einzigen Heim unternommen…
George starb 1971. Er erlebte noch mit, wie jeder einzelne investierte Cent sich bezahlt machte, wie das Pikes-Peak-Raumkatapult in Dienst gestellt und Luna City ein funktionierendes Unternehmen mit über sechshundert Einwohnern wurde, über hundert davon Frauen; er erlebte noch die ersten Babies mit, die dort auf die Welt kamen, und wie Harriman Industries reicher wurde als je zuvor. Ich glaube, er war glücklich. Und ich vermisse ihn nach wie vor.
Ich bin mir nicht sicher, ob Mr. Harriman glücklich war. Er war schließlich nicht hinter Milliarden her, sondern wollte einfach nur auf den Mond – und Daniel Dixon wußte das zu verhindern.
Dixon raffte im Verlauf des Projektes, das einen Menschen auf den Mond brachte, und einige Anteilsverschiebungen nach sich zog, mehr Stimmen zusammen als Mr. Harriman, und letzterer verlor die Kontrolle über Harriman Industries.
Um das Maß vollzumachen, schaffte es auch noch eine Harriman-Tochterfirma, die Spaceways Ltd., (durch Lobbyismus in Washington und bei den Vereinten Nationen) das Monopol auf die erste Phase der Weltraumentwicklung zu erhalten. Abgesegnet wurde das Ganze durch das sogenannte »Weltraumsicherungsgesetz«, dem zufolge das Unternehmen bestimmen durfte, wer für das All tauglich war und wer nicht. Ich hörte, daß man Mr. Harriman aufgrund dieses Gesetzes aus körperlichen Gründen ablehnte. Ich bin mir jedoch nicht sicher, was sich alles hinter den Kulissen abspielte, denn ich wurde aus dem Vorstand hinausmanövriert, sobald Mr. Dixon an die Macht kam. Es war mir egal; ich mochte ihn sowieso nicht.
In Boondock hörte ich mir Jahrhunderte später – auf meiner persönlichen Zeitlinie über sechzig Jahre später – einen Würfel an, der den Titel trug: Mythen, Legenden und Traditionen – die romantische Seite der Geschichte. Darin war eine Erzählung über Zeitlinie zwei enthalten, der zufolge es dem legendären Dee Dee Harriman viele Jahre nach diesen Machenschaften, als er schon sehr alt und fast vergessen war, gelungen sein sollte, eine Piratenrakete zu kaufen und damit zum Mond zu fliegen – wo er dann bei einer Bruchlandung ums Leben kam. Auf dem Mond allerdings, nach dem er sich immer so gesehnt hatte.
Ich fragte Lazarus nach dieser Geschichte. Er sagte, er wüßte nichts Genaues darüber. »Aber möglich ist es. Gott weiß, wie hartnäckig der alte Mann
Weitere Kostenlose Bücher