Segeln im Sonnenwind
unangenehme Dinge nachzudenken. »Maureen, was ich dir jetzt erzähle, ist absolut und hochgradig geheim. Ich bin mir nicht sicher, daß überhaupt jemand mit diesem Schiff starten wird.«
»Schwierigkeiten?«
»Probleme mit dem Gerichtsvollzieher. Ich weiß nicht, wie lange wir unsere Gläubiger noch hinhalten können. Und wir können uns auch an sonst niemanden mehr wenden. Wir haben sozusagen schon den Mantel zum Pfandleiher gegeben.«
»George, warten wir mal ab, was ich da ausrichten kann.«
Er erklärte sich damit einverstanden, in meiner Wohnung zu bleiben und Prinzessin Polly zu versorgen, während ich unterwegs war. Was Polly anbetraf, ging das Arrangement in Ordnung, denn sie war an ihn gewöhnt. Ich brach am Morgen Richtung Scottsdale auf, um mit Justin zu sprechen.
»Justin, betrachte es mal aus der Perspektive: Wie sehr wird es die Stiftung in Mitleidenschaft ziehen, wenn du den Zusammenbruch von Harriman Industries zuläßt?«
»Es würde sie schädigen, aber nicht umbringen. Wir könnten die vollen Subventionen in fünf Jahren wieder aufnehmen, spätestens in zehn. Maureen, eines steht fest: Wer anderer Leute Geld verwahrt, darf es nicht in Pleiteunternehmen stecken.«
Acht Millionen waren das äußerste, was ich aus ihm herausquetschen konnte, und ich mußte persönlich die Garantie für die Summe übernehmen. Die Hälfte des Betrages bestand aus Depotscheinen, deren Fälligkeitsdatum teilweise erst in sechs Monaten eintraf. (Ein Depotschein kann jedoch stets anstelle von Bargeld benutzt werden, auch wenn das vielleicht ein paar Prozente kostet.)
Und selbst, um diese Summe von ihm zu erhalten, mußte ich Justin drohen, ihm nie wieder einen »Theodore-Tip« zu geben, falls er das Geld nicht herausrückte. Gleichzeitig versprach ich ihm, ihm eine vollständige Niederschrift der Notizen auszuhändigen, die ich mitten in der Nacht des 29. Juni 1918 angefertigt hatte.
Am nächsten Morgen im Broadmoor wollte George das Geld nicht annehmen, sondern führte mich statt dessen zu Mr. Harriman. Dieser schien seine fünf Sinne nicht ganz beisammen zu haben und erkannte mich erst, als ich sagte: »Mr. Harriman, ich möchte mehr Anteile am Mondprogramm erwerben.«
»Wie bitte? Tut mir leid, Mrs. Johnson, es stehen keine weiteren Anteile zum Verkauf. Soviel weiß ich mit Bestimmtheit.«
»Dann möchte ich es mal so ausdrücken: Ich stelle Ihnen acht Millionen Dollar als persönliches Darlehen ohne Sicherheiten zur Verfügung.«
Mr. Harriman schaute mich an, als sähe er mich zum erstenmal. Er war hager geworden, seit ich ihm das letzte Mal begegnet war, und in seinen Augen brannte fanatische Hingabe. Er erinnerte mich an die Propheten des Alten Testamentes.
Er musterte mich ausgiebig und wandte sich dann an George. »Hast du Mrs. Johnson erklärt, welches Risiko sie damit eingeht?«
George nickte düster. »Sie weiß es.«
»Das wundert mich aber. Mrs. Johnson, ich bin pleite, und Harriman Industries ist nur noch eine hohle Schale. Deshalb habe ich in letzter Zeit auch keine Vorstandssitzung mehr einberufen. Ich müßte dann nämlich die Risiken erläutern, die ich eingegangen bin. Nur die geradezu unverschämte Chuzpe von mir und Mr. Strong hält alles noch zusammen, und wir beten, daß das noch eine Weile so bleiben wird, zumindest bis die Pioneer von der Startplattform abhebt. Ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, aber falls ich Ihr Geld nehme und trotzdem bankrott mache, dann kann ich Sie nicht mal bevorzugt behandeln. Vielleicht bekämen Sie drei Cent pro Dollar zurück, vielleicht gar nichts.«
»Mr. Harriman, Sie werden nicht bankrott gehen, und das Schiff da draußen wird fliegen. Captain LeCroix wird auf dem Mond landen und sicher zurückkehren.«
Er lächelte mich an. »Schön zu wissen, daß Sie Vertrauen in uns haben.«
»Es ist nicht nur Vertrauen; ich bin mir ganz sicher. Wir können jetzt nicht mehr scheitern, nur weil ein paar Pennies fehlen. Nehmen Sie dieses Geld und lassen Sie es für sich arbeiten. Zahlen Sie es zurück, wenn Sie wieder flüssig sind. Nicht nur die Pioneer wird fliegen, sondern es werden ihr noch viele weitere Schiffe folgen. Sir, Sie verkörpern buchstäblich das Schicksal der Menschheit! Sie werden Luna City gründen, den Freihafen des Sonnensystems!«
Später im Verlauf der Woche fragte mich George, ob ich den Start aus dem Blockhaus miterleben wolle – Mr. Harriman hätte mich eingeladen. Ich hatte mir das bereits überlegt, wohl wissend, daß ich
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