Segeln im Sonnenwind
Fremden mit nach Hause brachte.
Damit versetzte er mir den größten emotionalen Schock meines Lebens.
Ich sah mich einem jungen Mann gegenüber, der in jedem Detail meinem Vater in jüngeren Jahren glich – bis hin zu seinem Duft, den ich ganz deutlich erkannte, sauber und männlich, frisch in der Brunst.
Während ich lächelnd mit ihm Konversation machte, sagte ich mir innerlich: »Nicht ohnmächtig werden, Mau-reen; du darfst nicht ohnmächtig werden!«
Denn ich war sofort in erregte Bereitschaft übergegangen, einen Mann zu empfangen. Diesen speziellen Mann, um präzise zu sein. Diesen Mann, der wie mein Vater vor dreißig Jahren aussah. Ich unterdrückte ein Zittern, bemühte mich um eine gleichmäßige Stimme und darum, ihn genauso zu behandeln wie jeden anderen willkommenen Gast, den mein Mann oder mein Vater oder eins der Kinder mit nach Hause brachte.
Vater stellte ihn als Mr. Theodore Bronson vor. Ich hörte ihn sagen, er hätte Mr. Bronson eine Tasse Kaffee versprochen, was mir Gelegenheit zur dringend benötigten Ruhepause gab. Ich lächelte und sagte: »Ja, wirklich! An einem kalten, verregneten Abend genau das Richtige! Gentlemen, setzen Sie sich doch!« Und ich floh in die Küche.
Was ich dort zu tun hatte, nämlich den Obstkuchen schneiden, Pfefferminz auf einen Teller schütten, das Kaffeeservice, Milch und Zucker bereitstellen, den Kaffee aus einer Küchenkanne in eine silberne »Gesellschaftskanne« umfüllen – all das gab mir Gelegenheit, wieder zu Sinnen zu kommen und die eigene Brünstigkeit aus meinem Erscheinungsbild zu verbannen (hoffte ich wenigstens!). Ich hoffte auch, daß mein Körpergeruch vom Duft des Essens und der Tatsache verdeckt wurde, daß die Frauenmode der damaligen Zeit den Körper völlig bedeckte. Ich hoffte, Vater würde nicht bemerken, wessen ich mir ganz sicher war, nämlich daß Mr. Bronson für mich die gleichen Gefühle hegte.
Ich kehrte mit dem Tablett zurück. Mr. Bronson sprang auf und half mir damit. Wir hatten Kaffee und Kuchen und Konversation. Ich hätte mir wegen Vater keine Sorgen machen müssen; er war ganz mit einer eigenen Idee beschäftigt. Auch ihm war die Familienähnlichkeit aufgefallen; Anlaß für ihn, eine Theorie auszuarbeiten, der zufolge es sich bei Mr. Bronson um ein uneheliches Kind seines Bruders Edward handelte, der kurz nach meiner Geburt bei einem Zugunglück ums Leben gekommen war. Wir mußten aufstehen, uns nebeneinander aufstellen und dann gemeinsam in den Spiegel über dem Kaminsims blicken.
Vater erläuterte uns seine Theorie von Mr. Bronsons Herkunft als Waisenkind. Es dauerte viele Monate, ehe er mir gegenüber eine andere Möglichkeit einräumte, nämlich die, daß Mr. Bronson nicht mein Vetter und der Sohn des Wüstlings Onkel Edward war, sondern mein Halbbruder, Vaters eigener Sprößling also.
Während unseres Gespräches an jenem Abend äußerte ich im Beisein meines Vaters und in aller Schicklichkeit die Hoffnung, Mr. Bronson am Sonntag in der Kirche zu sehen. Ich teilte ihm mit, daß mein Gatte plante, zu meinem Geburtstag zu kommen, und daß wir mit Mr. Bronson zum Abendessen rechneten… denn immerhin war es, o Zufall (?), sein eigener Geburtstag!
Wenig später ging er. Ich wünschte Vater eine gute Nacht und suchte mein einsames Zimmer auf.
Zuerst badete ich. Ich hatte schon vor dem Abendessen gebadet, mußte es jedoch wiederholen – ich stank förmlich nach Geilheit! Ich masturbierte in der Wanne, und der Schmerz in den Brüsten hörte auf. Ich trocknete mich ab, zog ein Nachthemd an und ging zu Bett.
Und stand wieder auf und schloß die Tür ab und zog das Nachthemd aus und legte mich nackt ins Bett, um erneut zu masturbieren, heftig diesmal, während ich an Mr. Bronson dachte – wie er aussah, wie er roch, wie seine Stimme klang.
Ich tat es immer und immer wieder, bis ich endlich schlafen konnte.
KAPITEL ZWÖLF
»HÄNGT DEN KAISER!«
Ich frage mich, ob Pixel überhaupt noch mal zurück-kommt, nachdem sein letzter Besuch so katastrophal endete.
Heute habe ich ein Experiment durchgeführt. Ich rief »Telefon!«, wie ich es Dr. Ridpath hatte sagen hören. Und siehe da, ein Hologrammgesicht tauchte auf – das einer Polizeimatrone. »Wieso haben Sie ein Telefon bestellt?«
»Wieso nicht?«
»Sie genießen keine Telefonprivilegien.«
»Wer sagt das? Und wenn es zutrifft, hätte es mir dann nicht jemand sagen müssen? Schauen Sie, ich wette fünfzig Oktette mit Ihnen, daß Sie recht haben und ich mich
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