Segeln im Sonnenwind
irre.«
»Wie bitte? Das sagte ich doch bereits!«
»Dann beweisen Sie es auch. Ich bezahle erst, wenn Sie es bewiesen haben!«
Sie machte ein verdutztes Gesicht und schaltete ab. Wir werden sehen!
Mr. Bronson war am Sonntag in der Kirche. Nach dem Gottesdienst sprach ich ihn im Gedränge vor der Tür an, wo die Kirchenmitglieder dem Priester immer so nette Dinge über seine Predigt sagen (und Dr. Draper schwang wirklich schöne Predigten, wenn man das eigene Kritikvermögen auf Urlaub schickte und sie einfach als eigenständige Kunstwerke betrachtete). »Guten Morgen, Mr. Bronson.«
»Guten Morgen, Mrs. Smith, Miss Nancy. Schönes Wetter für März, nicht wahr?«
Ich pflichtete ihm bei und stellte ihm die übrigen anwesenden Mitglieder meines Stammes vor – Carol, Brian junior und Georgie. Marie, Woodrow, Richard und Ethel waren zu Hause bei ihrem Großvater. Ich glaube nicht, daß Vater nach seinem Fortgang aus Thebes je wieder eine Kirche betreten hat, außer um irgendeinen Freund oder Verwandten zu verheiraten oder zu begraben. Marie und Woodrow besuchten zwar schon die Sonntagsschule, waren meiner Meinung nach aber noch zu jung für die Kirche.
Wir tauschten noch für ein Weilchen allerlei Albernheiten aus; dann verneigte er sich und wandte sich ab. Ich folgte seinem Beispiel. Keiner von uns deutete auch nur an, daß die Begegnung von irgendwelcher Bedeutung gewesen war. Sein Verlangen nach mir brannte mit heller Flamme, wie meines für ihn. Wir beide wußten es, gaben es aber nicht zu.
Tag für Tag setzten wir unsere Liebesaffäre unter Vaters Augen fort, ohne Worte, ohne Berührungen, ohne anhimmelnde Blicke. Vater erzählte mir später, er hätte einmal einen Verdacht gehegt – »die Ratte gerochen« –, aber sowohl Mr. Bronson als auch ich hätten uns derart schicklich betragen, daß er keine Gelegenheit gefunden hätte, uns in die Mangel zu nehmen. »Liebling, ich kann einen Mann schließlich nicht dafür verdammen, daß er dich begehrt, solange er sich nur anständig benimmt – schließlich wissen wir beide, was du für eine Frau bist. Auch dir kann ich das, was du bist, nicht zum Vorwurf machen – du kannst schließlich nichts dafür –, solange du dich wie eine Dame aufführst. Um die Wahrheit zu sagen: Ich war richtig stolz auf euch, weil ihr euch in solch zivilisierter Zurückhaltung geübt habt. Das ist nicht leicht, wie ich sehr wohl weiß.«
Durch seine Schachtermine mit Vater und wenig später auch mit Woodrow konnte Mr. Bronson es einrichten, mich, en passant, beiläufig fast jeden Tag zu sehen. Er meldete sich freiwillig für den nächsten Sonntag als unser Gruppenführer in die Kirche und fuhr Brian junior und George nach dem Pfadfindertreffen am folgenden Freitag nach Hause. Das wiederum führte zu einer Verabredung mit Brian junior für Samstag nachmittag, um ihm das Autofahren beizubringen. (Mr. Bronson besaß ein Ford-Luxusmodell, einen stets sauber glänzenden, schönen Halblandauer.)
Am folgenden Samstag nahm er meine fünf ältesten Kinder zu einem Picknick mit; sie waren von ihm ebenso verzaubert wie ich. Carol vertraute mir später an: »Mama, wenn ich je heirate, dann so jemanden wie Mr. Bronson!«
Ich sagte ihr nicht, daß es mir kaum anders erging.
Wieder einen Samstag später nahm Mr. Bronson Wood-row mit zu einer Matinee im Hippodrome-Theater, um Thurston den Großen zu sehen, einen Bühnenmagier. (Ich wäre nur zu gerne mitgekommen, da ich von Bühnenmagie begeistert war, aber unter Vaters Augen riskierte ich nicht den kleinsten Hinweis auf meine Stimmungslage.) Als Mr. Bronson das auf seinen Armen schlafende Kind zurückbrachte, konnte ich ihn problemlos ins Haus bitten, da Vaters Präsenz dem Rendezvous Legitimität verlieh. Niemals im Verlauf dieser seltsamen Romanze betrat Mr. Bronson unser Haus, ohne daß Vater anwesend war.
Einmal, als Mr. Bronson Brian junior von einer Fahrstunde zurückbrachte, lud ich ihn zum Tee ein. Er erkundigte sich nach Vater, und als er erfuhr, daß letzterer nicht daheim war, fiel ihm plötzlich ein, daß er noch eine Verabredung hätte, für die er bereits zu spät dran wäre. Männer sind schüchterner als Frauen – meiner Erfahrung nach wenigstens.
Brian kam am Sonntag, dem 1. April, nach Hause, und am gleichen Tag brach Vater zu einer kurzen Reise nach St. Louis auf – um Mutter zu besuchen, wie ich vermute; er sagte allerdings nie, was er vorhatte. Eigentlich hätte ich es gern gehabt, wenn er zu Hause geblieben wäre.
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