Segnet die Tiere
verstehen, aber nur der Refrain erklang deutlich genug: Auf allen Seiten fallen wir, auf allen Seiten…
Und wir fallen noch immer.
Die kummervolle Melodie schlug sie in den Bann. B’Elanna blieb stehen, um zu lauschen. Ein sardalianischer Passant verharrte ebenfalls, begnügte sich jedoch nicht damit, den Sängern zuzuhören. Er hielt die mehrgelenkigen Arme in einem sonderbaren Winkel.
»Narren!« rief er. »Während ihr euer Leben damit verbringt, zu singen und zu flennen, gibt es andere, die nicht zögern würden, uns die einzige Quelle der Erlösung zu nehmen.«
Die Sänger ließen sich davon nicht beeindrucken.
Die Stimme des zornigen Sardalianers wurde lauter und übertönte den Gesang.
»Passiver Protest hat keinen Sinn!« rief er. »Ebensowenig wie Gesang. Wir müssen die Regierung daran hindern, uns Stück für Stück umzubringen. Wir wollen das Darra- Blut jetzt! Und zwar zu unseren Bedingungen, wann immer wir es benötigen. Nicht dann, wenn jemand anders sagt, daß wir es haben können.«
Entschlossenheit erklang in der klaren Stimme.
Nach sardalianischen Maßstäben war der Mann nicht
besonders groß, aber seine Haltung und die glänzenden Augen drückten Zuversicht aus. Irgend etwas an ihm veranlaßte andere Sardalianer, stehenzubleiben und ihm zuzuhören.
Die Sänger verstummten nacheinander.
Inzwischen hatte sich eine recht große Menge gebildet, und der Mann heizte ihre Stimmung auf. »Wißt ihr, was jetzt gerade passiert? Gewisse Leute fordern vom Obersten Rat Kolias, die Darra in Ruhe zu lassen. Ja, es gibt Sardalianer, denen Fische wichtiger sind als ihre sardalianischen Brüder und Schwestern.«
»Nein!« entfuhr es jemandem.
»So eine Schande!«
»Unmöglich. Das kann ich nicht glauben.«
Der Agitator nickte ernst. »Leider ist es die Wahrheit, Freunde. Und es geschieht jetzt, hier, in dieser Stadt.« Er deutete in Richtung des Hauptplatzes. »Kommt und seht euch eine Person an, die bereit wäre, unser Leben zu opfern, und auch das unserer Kinder.«
Wie der General einer kleinen Armee führte er die Menge über die Straße.
Torres folgte dem Zug.
Es dauerte nicht lange, bis sie einen großen Platz erreichten, auf dem der Wind die orangefarbenen Blätter großer Büsche rascheln ließ. Auch hier plätscherte das Wasser eines Springbrunnens. Daneben stand eine hochgewachsene, dürre Frau, die ein Schild mit der Aufschrift trug: »Rettet die Darra.«
»Seht ihr, was ich meine?« rief der Agitator. »Wollt ihr so etwas einfach hinnehmen?«
»Nein!«
»Seht ihr die Verräterin?«
»Ja!«
»Ihr wißt, was ihr zu tun habt.«
Die Menge griff an. Ihr Zorn fand plötzlich ein Ventil, verdrängte die letzten Reste von Vernunft. Wütende Stimmen verfluchten die Frau mit dem Schild.
»Verräterin!«
»Nimm das Leid der Krankheit hin, wenn du unbedingt willst
– aber zwing nicht auch andere dazu!«
Die Leute packten sie, zerrten an Kleidung und Haar, schrien und traten.
B’Elanna Torres spürte, wie sich ihr die Nackenhaare
aufrichteten. Doch Vorsicht und Ausbildung veranlaßten sie, sich auf die Rolle des Beobachters zu beschränken – es handelte sich um ein lokales Problem. Außerdem: Die Erste Direktive verbot direktes Eingreifen.
»Wenn du kein Darra-Blut willst, so gib es uns!«
»Fischfreund!«
Ein Fleck erschien an der Stirn der Frau. Orangefarbenes Blut tropfte ihr aus dem Mundwinkel. Trotzdem blieb sie passiv.
Sie schien begriffen zu haben, daß es gar keinen Sinn hatte, sich angesichts einer solchen Übermacht zur Wehr zu setzen.
Das ist einfach nicht fair, dachte Torres. Als Mädchen hatte sie sich oft gegen andere Kinder und Jugendliche wehren müssen, die sie haßten oder fürchteten, nur weil sie zur einen Hälfte klingonischer Abstammung war. Aufgrund jener
Erfahrungen wußte sie, wie man auch mit einem zahlenmäßig überlegenen Gegner fertig wurde.
Sie marschierte geradewegs in die Menge hinein, schob die wütenden Sardalianer beiseite, griff nach einem Arm der Frau und zog sie von ihren Peinigern fort. Die Leute wichen zurück, abgesehen vom Agitator.
»Kümmern Sie sich um Ihre eigenen Angelegenheiten,
Fremde!« heulte er und breitete die Arme aus, um ihr den Weg zu versperren.
Torres versetzte ihm einen Hieb an die Kehle. Der Mann ging sofort zu Boden, keuchte und schnappte nach Luft.
»Bleiben Sie dicht bei mir«, wandte sich B’Elanna an die Frau. »Ich versuche, Sie von hier fortzubringen.«
Die Sardalianerin rührte sich nicht. Sie wirkte
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