Seherin von Kell
ich dann den Schiffsbau in der Werft. Schließlich gestattete mir der König, auf See zurückzukehren, nachdem er mir eine Baronie zuge-eignet hatte – nicht, daß mich das sehr beeindruckt. Ich glaube, ich besitze sogar irgendwo eine Burg.«
Ein blecherner Ton erschallte vom Kai, als ihnen die Ritter des Hofes auf echt mimbratische Weise mit dem Horn salutierten. »Ist das nicht jämmerlich?« brummte der Kapitän. »Ich fürchte, auf der ganzen Insel gibt es nicht einen einzigen, der den Ton halten kann.« Er blickte Garion abschätzend an. »Ihr wollt also zum Turim Riff.«
»Korim Riff«, verbesserte Garion abwesend.
»Sagen die Leute auf der Insel. Sie können nicht einmal den Namen richtig aussprechen. Wie auch immer, wenn Ihr Euch endgültig entschieden habt, wo Ihr von Bord gehen wollt, dann laßt mich holen. Um das Riff ist das Wasser arg unfreundlich. Es ist wahrhaftig nicht der richtige Ort, Fehler zu machen, und ich habe ein paar ziemlich genaue Karten.«
»Der König sagte uns, es gäbe keine Karten von diesem Riff.«
Der Kapitän blinzelte verschmitzt. »Die Gerüchte, die ich erwähn-te, veranlaßten einige Kapitäne, mir zu folgen«, gestand er. ›»Ver-folgen‹ wäre wahrscheinlich richtiger. Ausgesetzte Belohnungen verleiten die Leute manchmal zu allerlei. Jedenfalls kam ich mal bei ruhigem Wetter am Riff vorbei und beschloß, ein paar Lotungen vorzunehmen. Es schadet nie, ein Versteck zu haben, das andere abschreckt.«
»Wie heißt Ihr, Kapitän?« wollte Garion wissen.
»Kresca, junger Herr.«
»Garion genügt.«
»Gut, dann Garion. Aber jetzt verschwindet von meinem Achterdeck, damit ich diesen alten Eimer aus dem Hafen steuern kann.«
Die Sprache war anders, und sie befanden sich auf der entgegengesetzten Seite der Welt, aber Kapitän Kresca ähnelte so sehr Baraks Freund Greldik, daß Garion sich auf seinem Schiff plötzlich völlig sicher fühlte. Er stieg den Niedergang hinunter und gesellte sich zu den Gefährten. »Wir haben Glück«, sagte er. »Unser Kapitän ist ein Melcener, nicht gerade mit Skrupeln belastet, aber er besitzt Karten vom Riff. Wahrscheinlich ist er damit der einzige in diesen Gewässern. Er hat angeboten, uns zu beraten, wenn es so weit ist, daß wir uns entscheiden müssen, wo wir von Bord wollen.«
»Sehr hilfsbereit von ihm«, meinte Silk.
»Vielleicht, aber ich glaube, seine Hauptsorge ist, daß sein Schiffs-boden heil bleibt.«
»Ich fühle mit ihm«, sagte Silk. »Jedenfalls solange ich an Bord bin.«
»Ich kehre an Deck zurück«, erklärte Garion. »Der erste Tag einer Seereise schlägt sich bei mir in einer engen Kabine fast immer auf den Magen.«
»Und du bist der Herrscher einer Insel?« sagte Poledra.
»Es ist nur eine Gewöhnungssache, Großmutter.«
»Natürlich.«
See und Himmel waren bewegt. Die dunkle Wolkenbank kam
immer noch aus dem Westen und sandte lange, schwere Brecher aus dieser Richtung – Wellen, die aller Wahrscheinlichkeit nach irgendwo vor der Ostküste von Cthol Murgos ihren Anfang genommen hatten. Obwohl Garion als König eines Inselreichs wußte, daß so ein Wetter nichts Ungewöhnliches war, empfand er doch eine Spur abergläubischer Angst, als er sah, daß der Wind über der Wasserflä-
che westwärts blies, während der höhere, wie die Wolkenwande-rung verriet, aus der entgegengesetzten Richtung brauste. Er hatte Ähnliches schon oft beobachtet, doch diesmal war er nicht so sicher, daß das Wetter einen natürlichen Ursprung hatte. Müßig fragte er sich, was die beiden ewigen Bewußtheiten getan hätten, wenn es seinen Freunden und ihm nicht gelungen wäre, ein Schiff zu finden.
Er sah flüchtig vor seinem inneren Auge, wie das Meer sich teilte, um auf seinem Grund einer breiten Straße Platz zu machen, auf der überraschte Fische zappelten. Immer weniger fühlte er sich Herr seines eigenen Schicksals. Genau wie auf dem langen Weg nach Cthol Mishrak wuchs seine Überzeugung, daß die beiden Prophezeiungen ihn nach Korim zu einer Begegnung trieben, die, obwohl er sich vermutlich nicht dafür entschieden hätte, das letztendliche Ereignis war, dem das Universum seit Anbeginn der Zeit zugestrebt war. Ein klagendes »Warum ich?« lag ihm auf den Lippen.
Und dann war Ce'Nedra da und kuschelte sich unter seinen Arm, wie sie es während jener ersten berauschenden Tage getan hatte, als ihnen endlich klar geworden war, daß sie einander wahrhaftig liebten. »Woran denkst du, Garion?« fragte sie leise. Sie hatte das
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