Seherin von Kell
alt-modische grüne Satingewand ausgezogen, das in der Burg für sie geschneidert worden war, und trug nun ein einfaches Kleid aus grauer Wolle.
»Denken ist vielleicht nicht das richtige Wort. Ich mache mir Sorgen.«
»Warum? Wir werden doch gewinnen, nicht wahr?«
»Das ist noch nicht entschieden.«
»Natürlich wirst du siegen. Tust du doch immer.«
»Diesmal ist es ein bißchen anders, Ce'Nedra.« Er seufzte. »Aber es ist nicht nur wegen der Begegnung. Ich muß auch meinen Nachfolger wählen. Und der, für den ich mich entscheide, wird das neue Kind des Lichtes – und höchstwahrscheinlich ein Gott. Wähle ich den Falschen, könnte es durchaus sein, daß ich einen Gott erschaffe, durch den es zur absoluten Katastrophe kommen könnte.
Kannst du dir beispielsweise Silk als Gott vorstellen? Er würde wahrscheinlich den anderen Göttern die Taschen leeren und mit den Sternen schmutzige Witze an den Himmel schreiben.«
»Nein, für einen Gott dürfte er wirklich ungeeignet sein«, bestätigte sie. »Ich mag ihn sehr, aber ich fürchte, UL wäre alles andere denn erfreut über ihn. Was beunruhigt dich sonst noch?«
»Das weißt du doch genau. Einer von uns wird den morgigen Tag nicht überleben.«
»Über das ›Wer‹ brauchst du dir den Kopf nicht zu zerbrechen, Garion«, sagte sie leise. »Ich wußte von Anfang an, daß ich das bin.«
»Wie kannst du nur so was denken! Ich sorge auf jeden Fall dafür, daß du es nicht bist!«
»Oh? Und wie?«
»Ich werde ganz einfach erklären, daß ich die Wahl nicht treffe, wenn dir auf irgendeine Weise weh getan wird.«
»Garion!« keuchte sie. »Das darfst du nicht! Du würdest das ganze Universum vernichten.«
»Na und? Ohne dich bedeutet mir das ganze Universum nichts!«
»Das ist sehr lieb von dir, doch du darfst es trotzdem nicht! Aber du würdest es ja ohnehin nicht. Dazu bist du viel zu
verantwortungsbewußt.«
»Wieso bist du eigentlich auf die Idee gekommen, daß du es sein würdest?«
»Die Aufgaben, Garion. Jeder von uns hat eine – ein paar von uns sogar mehr als eine. Belgarath mußte herausfinden, wo die Begegnung stattfinden wird; Sammet mußte Harakan töten. Sogar Sadi hatte die Aufgabe, Naradas zu töten. Ich habe keine – außer zu sterben.«
Da entschloß Garion sich, es ihr nicht länger zu verheimlichen.
»Du hattest eine Aufgabe, Ce'Nedra«, versicherte er ihr. »Und du hast sie sehr gut bewältigt.«
»Wovon redest du?«
»Du kannst dich nicht daran erinnern. Nachdem wir Kell verlassen hatten, warst du ein paar Tage lang sehr schläfrig.«
»O ja, daran erinnere ich mich.«
»Es lag nicht daran, daß du müde warst. Zandramas hatte deinen Geist beeinflußt. Es war nicht das erste Mal. Erinnerst du dich, als du auf dem Weg nach Rak Hagga krank wurdest?«
»Ja.«
»Es war eine andere Art von Krankheit, aber auch dahinter steckte Zandramas. Sie versucht bereits seit über einem Jahr, dich zu beherrschen.«
Ce'Nedra starrte ihn an.
»Als wir Kell verlassen hatten, gelang es ihr jedenfalls, deinen Geist schlummern zu lassen. Du hast dich von uns entfernt, bist auf eine Lichtung gewandert und hast dir eingebildet, du hättest Arell getroffen.«
»Arell? Sie ist tot!«
»Ich weiß. Aber du hast trotzdem geglaubt, du wärst ihr begegnet, und sie gab dir etwas, das du für unser Kind gehalten hast. Dann hat dir diese scheinbare Arell einige Fragen gestellt, und du hast sie beantwortet.«
»Was für Fragen?«
»Zandramas mußte herausfinden, wo die Begegnung stattfinden würde, aber sie konnte Kell nicht betreten. Also gab sie sich als Arell aus, damit sie dir diese Fragen stellen konnte. Du hast ihr von Perivor erzählt, von der Karte und von Korim. Das war deine Aufgabe.«
»Ich habe euch verraten?« Sie war zutiefst bestürzt.
»Nein, du hast das Universum gerettet. Zandramas muß zur richtigen Zeit in Korim sein. Jemand hatte ihr zu sagen, wohin sie sich begeben muß, und das war deine Aufgabe.«
»Ich erinnere mich nicht an das geringste.«
»Kannst du auch nicht. Tante Pol hat die Erinnerung daran aus deinem Geist gelöscht. Es war wirklich nicht deine Schuld, aber du hättest dich mit Gewissensbissen gequält, wenn du davon gewußt hättest.«
»Trotzdem habe ich euch verraten!«
»Du hast getan, was getan werden müßte, Ce'Nedra.« Garion lä-
chelte nachdenklich. »Weißt du, beide Seiten haben das gleiche versucht. Wir – und Zandramas, natürlich – wollten Korim finden und die andere Seite davon abhalten,
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