Seherin von Kell
nicht mehr als zuvor«, beklagte sich Zakath.
»Das Erste Zeitalter begann mit der Erschaffung des Menschen und dauerte bis zur Spaltung der Welt durch Torak«, erklärte ihm Belgarath. »Der Anfang ist etwas vage. Unser Herr erwähnte nie, wann genau er und seine Brüder die Welt erschufen. Ich vermute, daß keiner von ihnen davon reden will, weil ihr Vater dagegen war.
Der Zeitpunkt der Spaltung der Welt steht dagegen fest.«
»Habt Ihr es miterlebt, Lady Polgara?« fragte Sadi neugierig.
»Nein«, antwortete sie. »Meine Schwester und ich kamen erst ein wenig später auf die Welt.«
»Wieviel später?«
»Ungefähr zweitausend Jahre, nicht wahr, Vater?«
»Ja, in etwa.«
»Mir stockt das Blut, wenn ich nur daran denke, wie gleichmütig ihr über Äonen sprecht.« Sadi schauderte.
»Wieso meint Ihr, daß sie diese Bauweise vor der Spaltung der Welt gelernt haben?« fragte Zakath Belgarath.
»Ich habe einiges im Buch der Äonen gelesen«, antwortete der alte Mann. »Die Geschichte der Dalaser ist darin sehr genau niedergelegt. Nachdem die Welt gespalten war und das Meer des Ostens zwischen die getrennten Teile brauste, seid ihr Angarakaner nach Mallorea geflohen. Die Dalaser wußten, daß sie eines Tages mit euch zurechtkommen mußten, deshalb entschlossen sie sich, sich als einfache Landleute auszugeben. Sie brachen ihre Städte nieder – alle, außer dieser.«
»Warum ließen sie Kell unversehrt?«
»Weil es nicht nötig war, sie abzureißen. Es waren die Grolims, derentwegen sie sich wirklich Sorgen machten, und die Grolims können nicht hierherkommen.«
»Aber andere Angarakaner können es«, gab Zakath zu bedenken.
»Wieso hat nie einer der Bürokratie eine Stadt wie diese gemeldet?«
»Sie werden wahrscheinlich veranlaßt, es zu vergessen«, sagte Polgara.
Er blickte sie scharf an.
»So schwierig ist das nicht, Zakath. Ein Wort, eine Andeutung können Erinnerungen auslöschen.« Leichter Ärger huschte über ihr Gesicht. »Was ist das nur für ein Murmeln?« fragte sie heftig.
»Ich höre nichts.« Silk blickte sie verwundert an.
»Dann solltest du dir vielleicht die Ohren waschen, Kheldar.«
Gegen Sonnenuntergang brachten ihnen mehrere junge Frauen in weichfallenden weißen Gewändern das Abendessen auf zugedeck-ten Tabletts.
»Ich sehe, daß die Dinge auf der ganzen Welt gleich sind«, sagte Sammet trocken zu einer der jungen Frauen. »Die Männer sitzen herum und reden, und die Frauen machen die Arbeit.«
»Oh, wir tun es gern«, erwiderte das Mädchen ernst. »Es ist eine Ehre zu dienen.« Sie hatte sehr große dunkle Augen und seidig glänzendes braunes Haar.
»Das macht es ja so schlimm«, sagte Sammet. »Zuerst bringen sie uns dazu, daß wir die ganze Arbeit machen, und dann reden sie uns auch noch ein, daß es uns Spaß macht.«
Das Mädchen starrte sie verwundert an und kicherte schließlich.
Dann blickte sie sich schuldbewußt um und errötete.
Beldin hatte gleich, als die Mädchen eingetreten waren, nach einer Kristallkaraffe gegriffen. Er füllte einen Glaskelch und trank schlürfend. Kaum hatte er den ersten Mundvoll geschluckt, begann er zu würgen und spuckte eine blaurote Flüssigkeit durch das halbe Gemach. »Was ist das für ein Zeug?« fragte er wütend.
»Fruchtsaft, Herr«, erwiderte die Dunkelhaarige. »Ganz frisch. Er wurde erst heute vormittag gepreßt.«
»Laßt ihr ihn denn nicht lange genug stehen, daß er gärt?«
»Ihr meint, bis er schlecht wird? O nein! Wenn es wirklich so weit kommen sollte, schütten wir ihn aus.«
Er stöhnte. »Was ist mit Bier?«
»Was ist das?«
»Ich wußte doch, daß nicht alles Gold ist, was glänzt«, sagte der bucklige kleine Mann zu Belgarath.
Polgara dagegen lächelte verklärt.
»Was sollte das Ganze?« fragte Silk Sammet, nachdem die Frauen gegangen waren. »Dieses Gequassel, meine ich.«
»Ein Verständigungsversuch«, antwortete sie rätselhaft. »Es schadet nie, Verbindungen herzustellen.«
»Frauen!« Er seufzte und rollte mit den Augen.
Garion und Ce'Nedra wechselten einen raschen Blick, beide erinnerten sich nur zu gut, wie oft sie in der ersten Zeit ihrer Ehe dergleichen im selben Ton gesagt hatten. Dann lachten sie.
»Was ist so komisch?« fragte Silk mißtrauisch.
»Nichts, Kheldar«, versicherte ihm Ce'Nedra. »Absolut nichts.«
Garion schlief in dieser Nacht schlecht. Das Murmeln in seinen Ohren lenkte ihn immer wieder ab, wenn er einschlief. Am nächsten Morgen stand er mit roten Augen und
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