Seherin von Kell
Mandorallen.
Barak runzelte die Stirn. »Der Himmel ist völlig klar, Mandorallen«, widersprach er, »und es klingt auch nicht wirklich wie Donner.« Er hob die Stimme: »Riemen einholen und Segel reffen!«
befahl er seinen Männern, während er die Pinne scharf herumschwang, so daß die Seevogel zum Ufer drehte.
Hettar, Relg und Lelldorin kamen an Deck. »Warum halten wir an?« erkundigte sich Hettar.
»Weil voraus irgendwas Merkwürdiges vorgeht«, antwortete Barak. »Wir sollten uns besser erst umsehen, ehe wir in irgend etwas reinplatzen.«
»Soll ich die Pferde heraufholen?«
»Nein. Es ist nicht weit, und Reiter sind zu auffällig.«
»Du redest schon fast wie Silk.«
»Wir waren auch eine ganze Weile beisammen. Unrak!« brüllte er seinem Sohn zu, der am Bug saß. »Wir wollen nachschauen, was da vorn los ist. Du übernimmst hier, bis wir zurück sind.«
»Aber Vater!« protestierte der rothaarige Junge.
»Das ist ein Befehl, Unrak!« donnerte Barak.
»Jawohl«, antwortete Unrak ein wenig mürrisch.
Die Seevogel drehte sich langsam in der Strömung und berührte das überwucherte Ufer leicht. Barak und die anderen sprangen von der Reling ans Ufer und schlichen landeinwärts.
Weitere dieser seltsamen Detonationen erfolgten, die nicht ganz wie Donner klangen.
»Was immer es ist, es kommt direkt von da vorn!« sagte Hettar leise.
»Bleiben wir in Deckung, bis wir wissen, was vorgeht«, sagte Barak. »Wir haben diese Art von Krach schon mal gehört – bei Rak Cthol, als Belgarath und Ctuchik kämpften.«
»Zauberer, glaubst du?« fragte Mandorallen.
»Sicher bin ich mir nicht, aber ich vermute es. Ich glaube, wir sollten vorsichtig sein, bis wir herausfinden, wer oder was es ist.«
Sie krochen bis zum Rand einer Gruppe buschiger Bäume und spähten auf eine Wiese hinaus.
Mehrere schwarzgewandete Gestalten, von denen Rauch aufstieg, lagen im Gras. Einige andere kauerten furchtsam am Rand der Wiese.
»Murgos?« fragte Hettar erstaunt.
»Das glaube ich nicht«, entgegnete Mandorallen. »Wenn du näher hinsiehst, wirst du bemerken, daß die Kapuzen ihrer Umhänge in unterschiedlichen Farben gefüttert sind. Diese Farben zeigen bei Grolims den Rang an. Es war sehr weise von dir, Barak, zur Vorsicht zu raten.«
»Was verursacht diesen Rauch?« wisperte Lelldorin und befinger-te seinen Bogen.
Wie als Antwort auf seine Frage erhob sich von einem Erdbuckel eine schwarzvermummte Gestalt, die, wie es schien, fast abfällig gestikulierte. Eine Kugel weißglühenden Feuers entsprang ihrer Hand, schoß zischelnd über die Wiese und schlug mit einem Knall, wie sie ihn inzwischen mehrmals gehört hatten, gegen die Brust eines der furchterfüllten Grolims. Der Getroffene schrie gellend, griff nach seiner Brust und stürzte ins Gras.
»Das erklärt den Krach«, bemerkte Relg.
»Barak«, sagte Hettar leise, »das ist eine Frau auf dem Hügel!«
»Bist du sicher?«
»Ich habe sehr gute Augen, Barak, und ich erkenne den Unterschied zwischen einem Mann und einer Frau.«
»Ich auch, aber nicht, wenn sie so völlig von solchen Umhängen bedeckt sind.«
»Paß auf ihre Ellbogen auf, wenn sie das nächste Mal die Arme hebt. Die Ellbogen von Frauen drehen sich anders als unsere. Adara sagt, das hat was mit dem Tragen von Babies zu tun.«
»Habt Ihr Euch gefürchtet, allein zu kommen, Agachak?« rief die Frau auf dem Hügel mit einer Stimme, in der Verachtung schwang.
Dann warf sie eine weitere Feuerkugel, und wieder sackte ein Grolim auf den Boden.
»Ich fürchte nichts, Zandramas«, antwortete eine hohlklingende Stimme aus den Bäumen am Wiesenrand.
»Jetzt wissen wir, wer sie sind«, sagte Hettar. »Aber warum kämpfen sie gegeneinander?«
»Zandramas ist eine Frau?« fragte Lelldorin ungläubig.
Hettar nickte. »Das hat Königin Porenn bereits vor geraumer Zeit erfahren. Sie hat die alornischen Könige darüber informiert, und Cho-Hag hat es mir erzählt.«
Fast gleichmütig fällte Zandramas die übrigen drei Grolims. »Nun, Agachak«, rief sie sodann, »tretet Ihr jetzt aus Eurem Versteck, oder muß ich Euch holen?«
Ein großer ausgemergelter Grolim kam zwischen den Bäumen hervor. »Euer Feuer hat auf mich keine Wirkung, Zandramas«, sagte er und ging auf die Vermummte zu.
»Ich dachte nicht an Feuer, Agachak«, schnurrte sie fast. »Dies wird Euer Schicksal sein!« Plötzlich verschwamm sie, und dann stand an ihrer Stelle ein gräßliches Ungeheuer mit langem Schlan-genhals und gewaltigen
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