Seherin von Kell
tolnedrische Legion anzugreifen.«
»Vielleicht hat er Spaß gemacht.«
»Mimbratische Ritter wissen gar nicht, wie man Spaß macht.«
»Ich werde nicht länger dulden, daß ihr meinen Ritter beleidigt!«
rief Ce'Nedra hitzig.
»Wir beleidigen ihn nicht, Ce'Nedra«, entgegnete Silk, »wir beschreiben ihn. Er ist so edel, daß mir die Haarwurzeln weh tun.«
»Edelmut ist wohl ein fremder Begriff in Drasnien«, sagte sie bei-
ßend.
»Nicht fremd, Ce'Nedra, unverständlich.«
»Vielleicht haben sie sich in den zweitausend Jahren geändert«, sagte Durnik hoffnungsvoll.
»Damit würde ich nicht rechnen«, brummte Beldin. »Menschen, die isoliert leben, neigen meiner Erfahrung nach dazu, nur noch mehr in ihren Sitten und Gebräuchen zu erstarren.«
»Auf eines muß ich euch vorbereiten«, sagte Cyradis. »Die Bewohner dieser Insel sind eine ungewöhnliche Mischung. In vielerlei Hinsicht sind sie, wie Ihr sie beschrieben habt, aber sie haben auch dalasisches Blut in ihren Adern und sind in den Künsten unseres Volkes bewandert.«
»Großartig!« sagte Silk sarkastisch. »Mimbrater, die Zauber wirken. Vorausgesetzt, sie werden sich klar, wozu oder wogegen sie ihn anwenden wollen.«
»Cyradis«, fragte Garion, »müssen Zakath und ich deshalb Rü-
stung tragen?«
Sie nickte.
»Weshalb habt Ihr uns das nicht einfach gesagt?«
»Es war erforderlich, daß ihr es selbst herausfindet.«
»Na gut, sehen wir uns jetzt mal um«, forderte Belgarath die Gefährten auf. »Wir hatten ja schon mehrmals mit Mimbratern zu tun und gewöhnlich gelang es uns, mit ihnen zurechtzukommen.«
In der goldenen Nachmittagsonne ritten sie dahin, und als sie den Waldrand erreichten, sahen sie die Burg, die Beldin angekündigt hatte. Sie stand auf einem hohen Felsen und hatte die üblichen Wehrgänge, Zinnen und Befestigungen.
»Beachtlich«, murmelte Zakath.
»Es hat wirklich keinen Sinn, hier zwischen den Bäumen herumzustehen«, sagte Belgarath. »Und unbemerkt kommen wir auf keinen Fall über diese offene Wiese. Garion, du und Zakath, ihr reitet an der Spitze. Ritter werden gewöhnlich höflich aufgenommen.«
»Wollen wir denn einfach zu dieser Burg hinaufreiten?« fragte Silk.
»Warum nicht?« entgegnete Belgarath. »Wenn sie immer noch wie Mimbrater denken, sind sie geradezu verpflichtet, uns für die Nacht aufzunehmen. Und wir brauchen ohnehin einige Informationen.«
Sie ritten hinaus auf die Wiese und im Schritt zu der grimmigen Burg hinauf. »Überlaß mir das Reden, wenn wir dort sind«, sagte Garion zu Zakath. »Der Dialekt ist mir einigermaßen vertraut.«
»Gute Idee«, stimmte Zakath zu.
Ein Trompetenstoß erklang aus der Burg, um ihnen zu künden, daß sie gesehen wurden, und wenige Minuten später trotteten ein Dutzend Ritter in glänzenden Rüstungen über die Zugbrücke. Garion lenkte Chretienne ein wenig weiter an die Spitze.
»Habt die Güte anzuhalten, Herr Ritter«, sagte der vorderste Reiter, der offenbar der Führer war. »Ich bin Baron Astellig. Darf ich nach Eurem Namen fragen und was Euch und Eure Begleiter zum Tor meiner Burg führt?«
»Meinen Namen darf ich nicht offenbaren, Herr Ritter«, antwortete Garion. »Die Gründe werde ich Euch noch erklären. Mein Mitritter und ich sind mit unseren Gefährten in einer Angelegenheit von größter Dringlichkeit unterwegs, und wir haben uns auf der Suche nach einer Zuflucht für die Nacht hierher begeben, die sich, wie mir dünkt, in den nächsten Stunden auf uns herabsenken wird.« Garion war stolz auf seine Wortwahl.
»Euer Ansuchen genügt, Herr Ritter«, versicherte ihm der Baron,
»denn alle wahren Ritter sind durch Ehre, wenn nicht allein durch Höflichkeit verpflichtet, wandernden Rittern Unterstützung und Zuflucht zu gewähren.«
»Ich kann Euch meiner Dankbarkeit nicht genug versichern, Baron Astellig. Wie Ihr gewiß bereits bemerkt habt, begleiten uns Damen edlen Blutes, die sich durch die Anstrengungen unserer Reise der Erschöpfung nahe befinden.«
»So folgt mir denn sogleich in meine Burg, hehre Ritter. Für alle Herren edler Geburt kann es nichts Wichtigeres geben, als die Sorge um das Wohlergehen von Damen.« Er drehte sein Pferd mit einer einladenden Gebärde herum und führte seine unerwarteten Gäste den langen Weg zu seiner Burg hinauf. Seine Gefolgsleute ritten dicht hinter ihm.
»Sehr gewählt«, bemerkte Zakath bewundernd.
»Ich war eine Zeitlang in Vo Mimbre«, erklärte ihm Garion. »Da gewöhnt man sich an ihre Art zu
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