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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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beiseitezuschieben. Nur kurz sah er auf, vorbei an der Säule, fand ihren Blick und stellte dann die Tasche ab.
    Zahlreiche wohlhabende Bürger Nantes’ hatten sich eingefunden und saßen ehrfurchtsvoll auf ihren Stühlen.
    Der Prozess wird in Latein abgehalten, und auch wenn Amédé den Richtern in Französisch antwortet, bleibt offen, ob diese Männer alles verstehen, dachte Bérénice bei sich. Aber das war sicher nicht vonnöten, ein öffentlicher Inquisitionsprozess war Spektakel genug, gegen einen Adeligen erst recht.
    Pater Jean Blouyn, der Stellvertreter der Inquisition, betrat den Saal, und allein er war für sich genommen sehenswert. In seinem Dominikanerhabit, das aus einer schlichten weißen Cotte und einem weiten schwarzen Kapuzenumhang bestand, nahm er neben Bischof du Clergue Platz. Dessen schwarze Soutane glänzte und war dem Mann auf den Leib geschneidert.
    Zu guter Letzt betrat ein nahezu winziger Mann den Saal, der sich als Promotor vorstellte. Diesem dünnen Mann, Bérénice war sogar geneigt, ihn als Männlein zu bezeichnen, fiel die Aufgabe zu, den Prozess zu leiten.
    Alle Köpfe wandten sich um, als Amédé, flankiert von zwei bewaffneten Wachmännern, hereingeführt wurde. Nur Bérénice senkte ihr Haupt, fürchtete sie doch die Reaktion ihres Mannes. Ob er inzwischen wusste, dass sie ihn belastet hatte?
    Amédé ging aufrecht, und er trug einen neuen Brokatwams in dem Blauton, der ihn so vorteilhaft kleidete. Sein Haar war gewaschen, das Gesicht rasiert. Beeindruckend sah er aus, musste Bérénice sich eingestehen, und er wirkte sicher und ruhig. Hier kommt ein Mann von Welt, der sich eines Vergehens schuldig gemacht hat und vor Gericht tritt, um seine Schuldzu begleichen, schien seine Haltung zu sagen. Er blieb vor den Vorsitzenden des Gerichts stehen und lächelte freundlich.
    Francine beugte sich vor, und der Blick, den sie Bérénice dabei zuwarf, war schwarz vor Wut und Galle.

Saint Mourelles
    E s war das Geräusch der hölzernen Räder des Wagens, die über den unebenen Weg hinwegdonnerten und die bleierne Stille des Nachmittags zerfetzten.
    Sie sind immer erst mit Einbruch der Dunkelheit gekommen, zu Pferde und stets ohne Wagen. Was haben sie heute vor? Mathis fürchtete, erneut zu erleben, wie die Männer der Garde brüllend Türen eintraten, die Hütten verwüsteten und behaupteten, Catheline zu suchen. Doch ein jeder im Dorf wusste, was der Hauptmann bezweckte: Sollte irgendeiner der Bewohner von Saint Mourelles nach Einbruch der Dunkelheit nicht anwesend sein, so konnte er sich nur in Nantes aufhalten. Um als Zeuge gegen den Baron auszusagen. Denn wo sollte ein Bauer, Tagelöhner, ein gemeiner Mensch vom Lande des Nächtens sonst sein, wenn nicht in seiner Hütte? Druck wollten die Männer aufbauen, dass auch niemand es wagte, das Dorf zu verlassen.
    Mathis lauschte der Stimme, die sich überschlug, während sie das Pferd antrieb. Er kannte diese Stimme, es war Yann. So schnell der Treibstecken es zuließ, eilte Mathis aus seiner Scheune zum Zaun und spähte den Weg hinunter. Sofort sah er den Leib auf der Ladefläche, der bei jeder Unebenheit hin- und herschaukelte.
    Es war unverkennbar: Jola.
    Leblos lag sie auf dem Wagen.
    Atemlos bremste der Schmied. »Wo soll sie hin?«, brüllte er und zeigte hinter sich. »Sie lebt noch! Steh da nicht herum, komm auf den Wagen, verdammt!«
    »Zur Pfarrei, dort ist Blanche.« Mathis kletterte auf die Ladefläche. Die Ladefläche, auf der Raymond gelegen hatte. Die Yann immer wieder mit Knochenseife und Wasser geschrubbt hatte, bis seine Hände darüber wund geworden waren. Fassungslosigkeit durchfuhr Mathis, als er sich vorbeugte und die Haare des zusammengekrümmten Bündels Mensch beiseitestrich. Blau, geschwollen und blutverkrustet, nicht ein Fingerbreit erinnerte mehr an das vertraute Gesicht, das dem von Catheline so ähnelte.
    »Wer war das?«, brüllte er Yann ins Kreuz, der nicht antwortete und stattdessen das Pferd antrieb, als säße der Teufel selbst neben ihm auf dem Bock. »Wer war das? Welches Schwein war das?«, brüllte er noch mal, hämmerte mit der Faust auf die Ladefläche und kannte die Antwort. Hass durchfuhr ihn, ein mörderischer Hass, Rache zu nehmen, langsam und grausam, während er sich dabei am Leid des Hauptmannes weidete.
    Nicht einmal der Anblick der Pfarrei oder von Blanche, die gemeinsam mit Yann Jola vom Wagen hob und in die Küche trug, um sie dort auf dem Tisch abzulegen, nichts von alledem änderte etwas

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