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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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hielt in ihrer Hand einen kargen Weißdornzweig, und ich kann dir sagen, dass sie den armen Mönch wahrhaftig nicht freundlich begrüßte. Schnell begriff der Diener Gottes, dass diese Insel, eingewoben in seinen für das Auge undurchdringlichen Nebel, der Zufluchtsort derer war, die bereits vor Gott da gewesen waren.
    Malo wollte Morgana davon überzeugen, dass sich auch ihr Gottes Reich öffnen würde, dass es in ihm viel Platz gäbe, aber die stolze Fee wies ihn ab. Sie sagte, dass Gott dann auch ihrem Einhorn Einlass gewähren müsse, und forderte, Malo solle die Insel verlassen. Sie werde mit dem Einhorn und all den Sagen und Träumen hier auf der Insel auf die von den Zauberern angekündigte Morgenröte warten.
    Der Mönch fragte, ob er Morgana zum Abschied segnen dürfe, und weil sie keine Antwort gab, schlug er das Zeichen desKreuzes über ihrem Haupt. Und da geschah es: Langsam verschwanden die Nebel, und die Sonne hüllte alles in ein warmes Licht, das in einen Wunderglanz überging.
    Morgana lächelte. Sie und das Einhorn lösten sich im Gegenlicht der Sonne auf, gemeinsam verschwanden sie und mit ihnen all die Träume, Sagen und Geheimnisse.«
    Vater Jeunet fuhr erneut mit der freien Hand über Cathelines Haar. »Als Malo zum Schiff zurückkehrte, hatte er ein Geschenk von Morgana in der Hand. Ihren Weißdornzweig. Er blühte inzwischen.«
    Sie schwiegen.
    Dann beugte sich der alte Mann vor. »Du weißt, an wen uns der Weißdornzweig erinnert?«
    »Ja, die Krone Christi bestand aus Weißdornzweigen.«
    »Genau. Diese Krone, also der Weißdorn, ist das Zeichen der Hoffnung. Verstehst du, was ich damit sagen möchte?«
    »Dass sie alle Platz gefunden haben in Gottes Reich? Die Träume, Sagen, die Geheimnisse, Morgana und ihr Einhorn? Und dass die Hoffnung immer noch unter uns ist?«
    »So ist es. Lass die anderen auch Morgana um Hilfe bitten. Gräme dich nicht, dass sie ihren Glauben an Gott verlieren könnten. Aber du hättest mir gegenüber früher erwähnen müssen, dass das Böse die Zwietracht so breitflächig in unserem Dorf ausgesät hat. So soll es nicht sein. Meinst du, ich sollte etwas dazu in der Predigt heute sagen?«
    Catheline nickte und wischte sich über die Augen. »Oh ja, bitte, seid so gut.«
    »Gut, mein Kind, ich werde das aufgreifen. Hilf mir hoch, ich muss mich vorbereiten.«

Gut Lemoine, Anjou
    Z ufrieden saß Bérénice auf der Holzbank ihres Gemachs und sah zum Fenster hinauf. Seit ihrem letzten Besuch waren Umbauten vorgenommen worden. Ein Fensterkreuz war gesetzt worden, und der Glasmacher hatte in die beiden oberen Vierecke rautenförmig gemustertes Glas eingefügt. Nun fiel Tageslicht in ihr Gemach, und das, obwohl die unteren Läden des Fensters noch geschlossen waren. Es war zwar ein gedämpftes Licht, aber in eigener Weise stimmungsvoll.
    Schwerfällig erhob sie sich, zog die Vorhänge ihres Podestbettes zu und ging dann zum Kamin. Mit dem Schürhaken schob sie ein Holzscheit weiter in die Flammen hinein.
    Vor nunmehr drei Wochen waren sie auf Gut Lemoine angekommen, und noch immer fiel Bérénice jeden Morgen auf die Knie, um Gott zu danken, dass er ihr die Kraft gegeben hatte, sich zu dem Entschluss durchzuringen, das Schloss zu verlassen. Hier, außerhalb der Bretagne, gab es ein Leben ohne Amédé, das in ruhigen Bahnen verlief. Ein Leben, in dem sie nicht ihr gesamtes Handeln auf ihren Mann ausrichtete, sondern wieder eigene Schatten warf.
    Es klopfte, und Francine betrat das Zimmer.
    »Wo ist dein Umhang? Wir wollten spazieren gehen«, erinnerte Bérénice die Schwester.
    »Das werden wir verschieben müssen. Wir haben Besuch bekommen. Es ist Ludwig, er wünscht dich zu sprechen.«
    »Sage ihm, ich bin unpässlich. Ich will ihn nicht sehen.«
    »Das werde ich nicht. Es ist wichtig«, antwortete Francine und winkte Ludwig herein. Er trug noch die Kälte des Ritts mit sich, als er Bérénice zur Begrüßung umarmte.
    »Ich will nicht lange herumreden, denn die Zeit drängt«, sagte er und blickte sie ernst an. Er hatte das gleiche schwarzbrauneHaar wie sein Bruder Amédé, in dem jedoch frühzeitig erste graue Strähnen aufgeleuchtet waren. Auch wenn Ludwigs Gesicht kantiger war und ihn männlicher als Amédé wirken ließ, hatte er das ruhigere, ausgeglichenere Gemüt. Sosehr Bérénice ihren Schwager schätzte, den verstorbenen Bruno hatte sie stets noch ein wenig mehr gemocht. Er war der Sonnenschein unter den drei Brüdern gewesen, bis die Söldner im Herbst seinem

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