Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Leben ein Ende gesetzt hatten. Bruno, der verwöhnte Nachzügler, dessen Charme sich niemand hatte entziehen können. Ein tolldreister, witziger und …
»Ich möchte dich bitten«, unterbrach Ludwig ihren Vergleich, »nach Troyenne zurückzukommen. Noch heute.«
Bérénice fühlte sich unfähig, auf diese Bitte, die in ihren Augen einem Überfall glich, angemessen zu reagieren.
Francine reichte derweil dem Schwager einen Becher Weißwein und blieb an seiner Seite.
Ludwig nahm einen Schluck und fuhr fort: »Neuerdings redet Amédé nur noch über Alchemie und Geomantie. Ich befürchte, dass es der Pater ist, der ihn auf krude Gedanken bringt.«
»Nein, ich glaube nicht, dass der Pater ihn auf krude Gedanken bringt«, erwiderte Bérénice und sah das liebliche Gesicht des Geistlichen vor sich. »Aber es ist auch gleich, was ich glaube. Fest steht nur, dass ich nicht abreisen werde, weil mein Mann sich, wie so viele, ein wenig mit Alchemie und Geomantie befasst.«
»Er ist dein Gatte, und du musst ihm zur Seite stehen, ganz gleich, worum es geht.«
»Sei still, Francine, du willst nur wieder aufs Schloss zurück.«
»Und selbst wenn, daran ist doch nichts verkehrt. Bin ich jetzt diejenige, die deinem Mann zur Seite stehen muss?«
»Sie hat nicht ganz unrecht, Bérénice. Aber es geht noch um mehr. Auch wenn Amédé nicht darüber spricht, ich weiß, dass er mehrere Ländereien zu Spottpreisen verkauft hat. Inzwischen versetzt er auch Hausrat. Es mussten inzwischen Bücher seiner Bibliothek daran glauben. Kannst du dich an das Prunkstück der Bibliothek meines Vaters erinnern? Ovids ›Metamorphosen‹? Das war das Buch, das in vergoldetes Leder eingebunden war, mit feinsten Pergamentseiten. Zudem hat er zwei seiner Wagen und mindestens drei goldene Leuchter aus der Kapelle verkauft.«
»Treibt dich die Sorge um dein Erbe hierher?«, fragte Bérénice. Das Flackern in Francines Augen verriet ihr, dass sie dabei war, anmaßend zu werden.
»Wenn man dich nicht kennen würde, könnte man dich als bösartig bezeichnen«, stellte Ludwig fest, ohne dass sich der Gleichmut in seiner Miene änderte. »Gut, es geht noch um weit mehr als das schwindende Familienerbe, das mich zugegebenermaßen auch nicht unberührt lässt. Du weißt, dass Amédé seit dem Überfall kaum noch schläft. Seit du nun weg bist, betrinkt er sich zudem unentwegt. Die Anzeichen verdichten sich, dass es in Frankreich erneut zu kämpferischen Handlungen kommen wird, dass es tatsächlich eine Verschwörung gegen König Karl gibt. Und um es noch einmal deutlich zu sagen: Es geht dich nichts an, inwieweit Amédé in diesen Konflikt eingreift oder wie er all das bezahlt. Was für dich wichtig ist: Er wird gebraucht. Aber momentan ist er außerstande, sich an Kampfeshandlungen zu beteiligen.«
Genau das will ich. Ich will nicht, dass mein Mann erneut in den Krieg zieht, egal, ob er gegen Engländer oder die eigenen Landsleute kämpft, antwortete Bérénice ihm in Gedanken. Sieh ihn dir doch an, sieh, was der Krieg, all die Gewalt aus ihm gemacht haben. Aber das wirst du nie verstehen, das ist für dichweibisches Gewäsch. Denn du bist auch einer von denen, die denken, dass die Welt durch Blutvergießen besser wird.
»Nun hat Amédé sogar angeordnet, dass ich an seiner Stelle den König gegen Alençons Widerstand unterstützen soll«, sagte Ludwig in Bérénices Schweigen hinein.
»Das ist durchaus erfreulich!«, rief Bérénice aus und ignorierte Francine, deren Kinnlade schlaff herabsackte. »Ja, das ist es doch, was ihr von mir erwartet. Dass ich mit meinem Mann einer Meinung bin, und in diesem Fall bin ich es. Ich begrüße Amédés Entscheidung, sich aus Kampfhandlungen jeder Art herauszuhalten. Und dir, Ludwig, wünsche ich, dass Gott dir gewogen ist und seine schützende Hand über dich hält. In meine Gebete werde ich dich einschließen, aber nun möchte ich dich bitten zu gehen. Es gibt für dich viel vorzubereiten, denn so wie es aussieht, wirst du dir einen Grund einfallen lassen müssen, um dem König klarzumachen, warum Amédé dieses Mal nicht als Retter des Landes auftreten kann.«
Saint Mourelles
E s musste eine Nachtmahr sein. Eine besonders bösartige Nachtmahr, die stets wiederkehrend damit ihren Anfang nahm, dass Catheline bei ihm auftauchte. Dass sie vor ihm stand, außer sich vor Angst. Dass sie davon sprach, dass irgendwer verschwunden war. Er musste sich nur einen Ruck geben. Schon oft hatte er sich selbst geweckt, wenn
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