Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
Vom Netzwerk:
oder?«
    Mathis’ Leib krampfte sich zusammen, als Catheline, ohne mit den Wimpern zu schlagen, durch den Pfarrer hindurchzusehen schien. Unfähig, ihren Blick von Babette zu lösen.
    Wieder gab Mathis die Antwort: »Jola und Babette, sie arbeiten beide beim Baron als Gesinde. Mägde in der Küche.«
    »Willst du nicht gehen, Catheline? Willst du nicht drüben warten, mein Kind, bis wir hier … bis wir hier fertig sind?«
    Das Schütteln ihres Kopfes war kaum zu erkennen.
    Nochmals seufzte Pfarrer Jeunet, richtete sich wieder auf und zeigte auf Babette. »Die Hände der Magd, hast du es gesehen, Mathis? Auch an ihren Unterarmen … Sie hat sich gewehrt.«
    Mathis’ Kopf fuhr herum. Der Pfarrer hatte recht! So alt er auch sein mochte, sein Blick war scharf geblieben.
    »Das ist mir noch nicht aufgefallen. Das bedeutet, dass wir nach Grete schicken müssen. Vielmehr werde ich sie holen.«
    »Wozu?« Cathelines Stimme klang mit einem Mal laut und klar.
    »Vater Jeunet meinte, du wartest besser drüben.«
    »Wozu willst du Grete holen? Sie ist bei Blanche, die sie dringend braucht.«
    »Wir müssen prüfen, ob mit ihr …« Die Worte fielen in Mathis’ Mund durcheinander wie die Körner überreifer Ähren, die der Wind in alle Richtungen verstreut.
    »Du meinst, irgendwer muss schauen, ob Unzucht mit ihr getrieben wurde?« Catheline sprang auf und schob ihre Ärmel in die Höhe. »Ich habe schon so einige Kinder mit auf die Welt gebracht. Grete hat mich ausführlich in die Geburtshilfe eingewiesen, und so weiß ich sehr genau, wie Frauen aussehen. Ich kann das machen.«
    »Nein, mein Kind. Bitte lass das, wir werden nach einem Bader schicken.«
    »Wir haben keine Zeit. Bald werden die anderen im Dorf wissen, dass eine Tote in der Kapelle liegt. Bis bei diesem Wetter irgendeiner dieser Quacksalber aus Nantes eintrifft, vergeht zu viel Zeit. Ein Mädchen ist verschwunden, ein Junge fehlt schmerzlich. Und das von Gott geliebte Kind ist …«, sie zögerte, »verunglückt.«
    Mathis wusste, worauf Catheline hinauswollte. Eindringlich schüttelte er den Kopf und fixierte den Pfarrer, wobei er darauf achtete, mit seiner Meinung von Catheline unbemerkt zu bleiben.
    »Nun haben wir die Magd Babette bei uns in der Kapelle«, fuhr sie fort. »Die erwürgt wurde. Mord. Das ist Mord. Es ist ein Mörder unter uns. Vielleicht ist es auch Ankou mit seiner Sense höchstselbst, der seinen Karren durchs Dorf und die Wälder schiebt. Sich holt, was ihm in den Weg kommt.« Catheline trat einen Schritt vor und zündete eine weitere Lampe an. »Vater Jeunet, bitte lasst mich diese Aufgabe übernehmen! Sollte Martin sein Wort nicht halten, wird diese Nachricht ohne Eure begleitenden Worte wie ein Lauffeuer durchs Dorfjagen und auch den kleinsten Rest an Gemeinschaft vernichten, den es noch unter uns gibt.«
    Der Pfarrer nickte.
    Mathis fluchte.
    Ohne auf seine Worte zu achten, die nicht in eine Kapelle gehörten, packte Catheline den Stoff von Babettes Rock und hob die Lampe an. »Würden die Männer jetzt bitte den Blick abwenden?«
    Das Gesicht zur Wand gedreht, einen kalten Luftzug vom geöffneten Fenster her im Gesicht, überlegte Mathis, ob er vor die Kapelle treten sollte, um sich im Schutz der herabsinkenden Dunkelheit zu erbrechen.
    Es dauerte nur zwei, drei Atemzüge lang, dann stürmte Catheline, den Kittel weit übers Knie gerafft, an ihnen vorbei. Sie öffnete die Tür, und ohne sich noch einmal umzublicken, rief sie: »Sie ist, Gott hab Dank, wenigstens nicht … Sie ist … Da ist nichts.«
    Kurz sah Mathis das Zucken ihrer Schultern, dann stieß sie die Tür zu. Er war versucht, ihr zu folgen, denn es zerriss ihn fast, sie derart leiden zu sehen, zugleich wagte er nicht, Pfarrer Jeunet allein bei der Verstorbenen zu lassen.
    Der schien seine widerstreitenden Gefühle zu erahnen. »Geh. Geh und tröste sie. Dann lauf hoch zum Schloss, man muss, auch wenn der Baron auf Reisen ist, Bescheid geben, was hier geschehen ist. Wenn ich sehe, dass du dich auf den Weg zum Schloss machst, werde ich die Glocken läuten. Doch jetzt möchte ich für Babette beten. Damit sich der heilige Michael ihrer annimmt.«

Bischofspalast in Nantes
    H erzog Johann scheint kein Mann der langen Fußwege zu sein, dachte Julien, als sie die Baustelle der Kathedrale, die den beiden Heiligen Peter und Paul geweiht werden sollte, betraten. 1434, vor nunmehr gut sechs Jahren, hatte Seine Hoheit den Grundstein gelegt, und bis heute scheute er keine Kosten, um

Weitere Kostenlose Bücher