Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
er angewiesen, dass nun jeden Abend zwei Männer der Garde, wenn möglich sogar mehr, durch die Gegend reiten. Sie sollen alles im Auge behalten und kontrollieren, ob umherziehende Söldner, Diebesbanden oder Spielleute unterwegs sind. Sie sollen sich umhören und sich jeden vornehmen, der ihnen merkwürdig erscheint. Und sie sollen Ausschau halten, ob sie das Mädchen und den Mann finden, oder war es ein Junge? Eben die beiden, die noch vermisst werden. Na, wie auch immer, ich hoffe, das freut euch.«
»Woher weißt du das?« Jola bemerkte, dass das Hämmern in ihrem Kopf nachließ. Sollten die Berittenen den Täter finden, und sollte er dann gehängt werden, würde sie in der ersten Reihe stehen und jubeln, schwor sie sich.
»Einer aus der Garde ist mein Freund, er hat es mir erzählt. Bekomme ich jetzt ein wenig Brot?«
Ania riss ihm ein Stück vom Brotlaib ab, und als der Knappe hineinbiss, trat die Neue einen Schritt vor.
»Warum sollen wir uns freuen? Was ist denn passiert?«, fragte sie.
Der Knappe verschluckte sich und begann zu husten.
Saint Mourelles
B itte geh nach Hause heute! Wir wollen nicht, dass du einen Schrecken davonträgst und dass Luc Schaden nimmt«, sagte Mathis mit sanfter Stimme, die keinen Zweifel ließ, dass er es gut meinte.
Erschrocken presste Ysa den Kleinen an sich und blieb zurück, ihr schwerer Leib bebte unter den tiefen Atemzügen. Ängstlich sah sie ihrem Mann Martin nach, der gemeinsam mit Mathis die Kirche betrat.
Catheline hastete den beiden hinterher. Während sie sich zu den anderen Frauen gesellte, bemerkte sie, dass viele von ihnen und auch ihre Kinder heute nicht zur Messe erschienen waren. Sie fröstelte.
Grete schob sich seufzend neben sie und beugte sich vor. »Hast du es gesehen? Selbst ein Abgesandter des Bischofs ist heute zugegen.«
Cathelines Blick fuhr über die Gemeindemitglieder, und dann sah sie ihn: Er hatte rasierte Wangen, glatt und eben wie ein frisch vom Baum gepflückter Apfel.
Grete stieß ihr den Ellenbogen in die Seite, anscheinend eine Aufforderung, damit aufzuhören, den Mann mit dem prächtigen Umhang und Brokatwams anzustarren.
»Warum ist er hier? Was ist heute los?«, flüsterte Catheline. »Du bist die Haushälterin des Pfarrers. Ich dachte, du wüsstest es. Heute wird es eine Abmahnung geben.«
Entsetzt zuckte Catheline zusammen und wollte sich an den Frauen vorbeischieben, um umgehend die Kirche zu verlassen, doch Grete packte ihren Arm. »Du bleibst. Wir brauchen jedes einzelne Gebet, jeden einzelnen Ruf an Gott, uns zu helfen.«
Vater Jeunet betrat die Kirche, und das Flüstern erstarb.
»Einige von euch werden es wissen, heute ist keine gewöhnliche Messe. Wir werden eine Abmahnung vornehmen, und aus diesem Grund haben wir einen Gast. Einen vom Bischof gesandten Gast, der uns bei unserer Aufgabe beistehen wird.« Vater Jeunet nickte dem Mann in dem prächtigen Brokatwams zu. »Magister Julien Lacante, seid mir gegrüßt. Vielen Dank, dass Ihr heute erschienen seid.« Kurz räusperte Vater Jeunet sich. »In unserem Dorf sind in den letzten Wochen viele schreckliche Dinge geschehen. Wir vermissen Raymond und Rachel, auch wenn wir noch Hoffnung in uns tragen, sie lebend wiederzusehen.«
Er schwieg einen Moment und stieß die Worte dann hervor: »Doch nun ist eine Frau, die als Magd auf dem Schloss derer von Troyenne lebte, getötet worden. Babette. Der Name dieser Frau war Babette! Habt ihr das gehört?«
Auch wenn es inzwischen ein jeder im Dorf wusste, ging ein Raunen durch die Kirche. Irgendwer schluchzte auf.
Über Avel verlor Vater Jeunet kein Wort, und Catheline war beeindruckt von seinem klugen Vorgehen. Damit war dieser Tod ein tragischer Unfall, die Beisetzung des von Gott geliebten Kindes auf geweihtem Boden somit unanfechtbar.
»Bischof Gregor du Clergue wurde von mir unterrichtet, dass das Böse unter uns ist. Über seinen Notar und Schreiber, Magister Lacante, lässt er ausrichten, dass man die Vorfälle gründlich untersuchen wird, schließlich ereigneten sie sich unter seiner Gerichtsbarkeit.«
Nochmals richteten sich alle Blicke auf den Mann mit den glatt rasierten Wangen. Auch Mathis, der aufrecht auf seinem Schemel saß, als wäre er inzwischen ein Teil von ihm geworden, musterte den Magister eingehend.
Doch nun würde die Abmahnung ihren Lauf nehmen.
Übelkeit wallte in Catheline auf, dass sie es kaum schaffte, dem Evangelium zu folgen, das von Vater Jeunet für den Tag gelesen wurde.
Als er eine Kerze
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