Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
Umhang nicht. Mache einen Spaziergang, Vater Jeunet will einen Mittagschlaf halten, soll ich dir ausrichten. Ich werde mich derweil um Blanche kümmern«, fuhr sie fort, während sie sich die Haube aufband.
»Wollen wir hoffen«, sagte Catheline und reckte sich, dass ihre Gelenke knackten, »dass Blanche bald wieder zu Sinnen kommt. Denn wer soll sich im Frühjahr um sie kümmern, wenn die Arbeit mehr wird und uns wieder die Tage wegfrisst?«
Für einen Moment sahen beide auf Blanche hinab und hatten keine Antwort auf diese Frage. Wortlos wandten sie sich voneinander ab.
Das Licht der Sonne blendete, als Catheline aus der dunklen Hütte trat. Tautropfen glitten an den Eiszapfen entlang, die vom Dach der Hütte herabhingen, und glänzten in den Zweigen der Bäume.
Die oberste Schneeschicht des Weges war nass und matschig. Catheline lief um die braunen Flecken herum, die einen Vorgeschmack auf das gaben, was die kommenden Tage mit sich bringen würden, sollte das Wetter sich halten.
Ohne recht darüber nachgedacht zu haben, stand sie wenig später vor Mathis’ Hütte. Sie war größer als die meisten derUmgebung, und in Cathelines Augen war sie auch die schönste. Schon seine Eltern hatten damals Ställe angelegt, um das Nutzvieh aus dem Wohnraum zu schaffen. Der Schafstall kannte keinen Vergleich in der Umgebung, und die Scheune war nahezu riesig. Den Lehmboden der Tenne hatte Mathis vor zwei Sommern mit Holz ausgelegt. Viele der anderen Bauern droschen seither gern hier mit ihren Dreschflegeln das Getreide. Doch der Hof, der einst von Leben und emsigem Treiben erfüllt gewesen war, lag seit dem Unfall verwaist danieder. Die Knechte hatten sich aufgemacht und anderweitig verdingt, nur Gabin ging Mathis noch während der Wintermonate gelegentlich als Tagelöhner zur Hand. Erst wenn das Wetter sich bessern würde, würde Gabin wieder die Schafe auf die Weiden treiben, eine Aufgabe, bei der ihm Avel oft geholfen hatte. Avel, der sich die Zeit beim Hüten der Schafe mit den lebhaften Geschichten seiner Fantasie vertrieben hatte.
Jetzt stehe ich hier wie eine verliebte Halbwüchsige, starre über den Zaun und hoffe darauf, dass Mathis sich zeigt. Prüfend glitt Cathelines Blick zum Stall, dann zur Scheune. Die Tore waren geschlossen, und aus dem Abzug der Hütte stieg kein Rauch. Er ist nicht da. Nun mach, dass du weiterkommst, bevor dich irgendwer hier sieht und es wieder Grund gibt, sich das Maul darüber zu zerreißen, mit wem und wo du deine Zeit verbringst.
Mit zügigem Schritt, die Hände unter den Umhang geschoben, lief sie los. In den Wald hinein. Heute ließen die Zweige den Sonnenstrahlen ihren Weg, dass es eine Pracht war. Catheline blieb stehen, schloss kurz die Augen, atmete ein und vermeinte das Wispern der Feen, allen voran Morgana, zu vernehmen, die bereits vom nahenden Frühling erzählten.
Schloss Troyenne
D er dumpfe Knall ließ Jola und Babette zusammenfahren, die Kiste, in der sie Feuerholz in die Küche schaffen wollten, entglitt ihnen. Knallte zu Boden, und einige der Scheite fielen heraus, doch weder Jola noch Babette scherten sich darum.
»Was war das? Das klang, als hätte der Blitz ins Dach geschlagen«, flüsterte Babette, während sie die Arme ängstlich vor dem Brustkorb kreuzte.
Jola schaute zum Himmel hinauf. Er war grau, und die Baumwipfel, die über das Schlossgemäuer hinweg zu erkennen waren, standen still, kein Windhauch rührte sie. Nirgends regenschwere Wolken. »Ich weiß es nicht, aber lass uns den anderen nachlaufen«, rief sie. Ohne darüber nachzudenken, folgte sie dem Knappen und zwei Knechten, die an ihnen vorbeirannten.
Warum die Männer wussten, woher das Geräusch gekommen sein musste, war Jola rätselhaft. Als hätte der Knappe ihre Gedanken vernommen, brüllte er den Knechten zu: »Es muss aus dem Gemach von Pater Bertrand gekommen sein, ich habe eine Rauchfahne aus seinem Fenster aufsteigen sehen.«
»Feuer! Oh Gott, hilf uns, wenn es im Schloss brennt, dann sind wir verloren«, wimmerte Babette auf, die dicht hinter Jola lief.
Just als der Knappe die Tür zum Gemach des Paters aufreißen wollte, lugte der Baron durch einen Spalt in den Gang hinaus.
»Ich habe schon nach Pater Bertrand geschaut. Es geht ihm gut, es klang schlimmer, als es war. Macht euch keine Sorgen.«
Erleichtert blies Babette ihren Atem aus, und alle sahen sich zu ihr um. Verlegen senkte sie den Kopf.
»Pater Bertrand hat beim Anmischen seiner Heilpasten …«, der Baron sah hinter
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