Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)
bevor er bei Eve vorbeischaute. Kaum einer bekam sie noch zu Gesicht, seit sie Gabin verloren hatte. Die Kinder und sie waren zu einer Einheit verschmolzen, die momentan nicht aufzubrechen war. Er sank auf den Schemel und nahm den ersten Schluck, als sich die Tür öffnete.
Catheline.
Ihre Wangen waren gerötet, und er kam nicht umhin, festzustellen, dass es ihr gut stand. Sie hielt die Tür auf. »Du hast Besuch, der dir etwas erzählen will«, sagte sie kühl.
Dicht aneinandergedrängt betraten Nana und die Kinder seine Hütte, schauten sich um und brachten kein Wort über die Lippen.
»Oh, ihr seid aber schnell zurück«, sagte Mathis.
»Spielleute haben uns auf ihren Wagen mitgenommen«, sagte das kleinste der Mädchen, während sie an Nanas Lumpenrock vorbeiäugte.
»Schön, euch wiederzusehen.«
»Ich weiß nicht, ob du das gleich noch so schön finden wirst«, sagte Catheline und nickte Nana zu. »Nun erzähl es ihm.«
Das Mädchen räusperte sich. »Wir waren auf Gut Lemoine, und Ihr hattet recht. Die Baronin ist sehr wohltätig, wir wurden reichlich verpflegt.« Dann schaute sie auf ihre Hände. Es war offensichtlich, dass sie nach den richtigen Worten suchte.
Mathis runzelte die Stirn. Der Junge mit dem struppigen Rotschopf, der bei den Honigbroten ordentlich zugelangt und Krumen gespuckt hatte, trat einen Schritt vor. »Nene war nicht da«, sagte er. »Niemals war sie da.«
Nana blinzelte gegen Tränen an. »Niemand braucht dort Hilfe bei der Arbeit«, fügte sie hinzu.
»Das kann nicht sein, er hat es mir gesagt.« Mathis sprang auf.
»Wer?«, fragte Nana.
»Der Baron selbst.«
»Dann lügt er«, stellte Catheline fest. »Damit ist es bewiesen.«
»Du sollst damit aufhören! Du sollst damit aufhören, immer wieder auf dem Baron herumzuhacken.« Wut kochte in Mathis auf, und er wusste nicht, ob auf sich oder auf Catheline, doch es war ihm gleich. Er sah, dass die Köpfe der Kinder, dem Schlagabtausch folgend, von rechts nach links und wieder zurück flogen. Der kleine Junge mit dem Rotschopf war dichter an Nana herangerückt, als Mathis die Stimme erhoben hatte. Du musst dich zusammenreißen, um ihretwegen. Doch es fiel ihm schwer, da ihn Cathelines besserwisserische Miene zur Weißglut brachte.
»Gut, dann hat er sich geirrt«, sagte er und versuchte, beim Reden zu denken. »Dafür muss es eine Erklärung geben.«
»Welche?«, tönte es hinter Nanas Rock hervor.
»Das frage ich mich auch, lass mich nachdenken. Da der Baron sich kaum darum bemühen wird, das Gesinde selbst anzuwerben, muss ihn jemand falsch informiert haben. Irgendjemand, dem diese Aufgabe zufällt.«
»Wer soll das sein?«, fragte nun Nana.
Catheline stand immer noch, die Hände ineinandergelegt, neben der Tür und sagte kein Wort. Doch ihr Blick ruhte unentwegt auf ihm.
»Das weiß ich doch nicht, da kommen wohl einige zusammen auf so einem Schloss, nehme ich an.« Mathis hinkte auf Nana zu und blieb direkt vor ihr stehen. »Es tut mir leid, ich wollte dich nicht noch unglücklicher machen, indem ich falsche Hoffnungen in dir geweckt habe. Ihr könnt gern bleiben und noch etwas essen. Catheline zeigt euch sicherlich, wo ihr was findet.«
Mit einem Seitwärtsschritt stellte sich Catheline ihm in den Weg. »Wo willst du hin?« Ihre Miene verriet, dass sie wusste, was er plante, und dass sie damit keineswegs einverstanden war. »Du willst doch nicht schon wieder zum Schloss laufen und dich mit deinem Baron beraten?«
»Genau das will ich. Wenn er belogen wird, gibt mir das zu denken. Wer immer ihn mit der falschen Auskunft versorgt hat, und es muss ja jemand vom Schloss sein, wird wissen, wo sich das Mädchen aufhält. Auch wenn du es nicht wahrhaben willst, der Baron selbst könnte in Gefahr schweben, und wir sollten froh sein, dass wir ihn haben.«
Mathis hob den Arm und schob sie beiseite. Dann verließ er die Hütte. Catheline senkte den Kopf und war sich darüber im Klaren, dass sie ihr Ziel verfehlt hatte. Die Brücke, die sieihm hatte bauen wollen, hatte nicht standgehalten. Dümmlich, wie sie war, hatte sie gehofft, er würde einsehen, dass auf dem Schloss merkwürdige Dinge geschahen. Mehr als acht Tage hatte sie Mathis nicht gesehen. Seit dem großen Streit war er ihr aus dem Weg gegangen, und heute war er regelrecht vor ihr davongelaufen.
»Das blutet schon.«
Catheline nahm ihre Finger von den Lippen. Nana hatte recht: Hellrote Streifen überzogen die Fingerspitzen.
»Können wir was essen?«, fragte
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