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Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Sehet die Sünder: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liv Winterberg
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Stück Land den Besitzer gewechselt. Eigentlich hätte Julien überlaufen müssen vor Zufriedenheit, aber er verspürte nur Unbehagen und war von dem Wunsch erfüllt, das Schloss zu verlassen. So schnell als möglich.
    Kurz war das Aufeinandertreffen mit dem Baron gewesen, und er hatte dessen Verachtung gespürt. Verachtung, die der Baron eigentlich sich selbst gegenüber hätte empfinden müssen. Julien seufzte innerlich auf, sicherlich wäre es ihm nicht anders ergangen. Wer konnte schon den Tatsachen ins Auge schauen? Vor Kurzem hatte der Baron noch vollmundig verkündet, Saint Millieux nicht verkaufen zu wollen, und heute hatte er nun die Feder geschwungen, um seinen Namen auf ein Stück Papier zu setzen. Hatte seine eigenen Worte ad absurdum geführt zu einem Preis, der Julien ein Ziehen in der Magengegend verursachte, so schlecht war er: fünfundzwanzigtausend Gold-Ecus. Eine lächerliche Summe, die erahnen ließ, in welch finanziellem Desaster der Baron stecken musste. Auf ein derartiges Angebot ging man nur ein, wenn man am Abgrund stand.
    Julien schlenderte über den Schlosshof zu den Stallungen, in denen der Knecht sein Pferd inzwischen sicherlich gefüttert und mit Wasser versorgt hatte.
    Mit einem Schlag hielt er inne. Aus den Augenwinkeln hatte er ein blaues Kleid erblickt.
    Ein blaues Samtkleid.
    Bérénice. Sie war hier. Fassungslosigkeit machte sich in ihm breit, ein Gefühl, das umgehend hässliche Blüten in ihm trieb: Angst, Wut und Unverständnis. Was machte sie hier? Er hattesie in Gut Lemoine gewähnt. Nicht in der Nähe dieses übernächtigten, schon am Morgen angetrunkenen und in seinen Augen unberechenbaren Mannes.
    Er blieb stehen und starrte sie an, wusste, dass er den Blick abwenden musste, bevor jemand darauf aufmerksam wurde. Aber sein Herz stand dem Kopf im Weg und verhinderte jeden normalen Gedankenfluss.
    Bérénice schien zu spüren, dass sie beobachtet wurde. Suchend sah sie sich um. Ihre Lider flatterten kurz, als sie ihn bemerkte. Dann nickte sie nahezu unmerklich und setzte ihren Weg fort.
    Julien bückte sich, klopfte sich Staub von den Stiefeln und begriff, dass Bérénice in Richtung der Stallungen lief. Niemandem würde auffallen, dass auch er diesen Weg einschlug, schließlich musste er sein Pferd dort abholen. Fast hätte er gelächelt. Bérénice war nicht nur schön, sie war auch klug. Geradezu taktisch ging sie vor.
    Vor den Stallungen blieb Bérénice stehen und strich einem der Pferde, das aus einem geöffneten Verschlag schaute, über den unteren Halsrand.
    Julien schlenderte zum Tor der Stallungen, nun trennten sie nur noch wenige Schritte. Er sah sich um und konnte den Stallknecht nicht entdecken.
    »Um diese Zeit sind die Knechte meist zu Tisch in der Küche«, zischte Bérénice ihm zu.
    »Was machst du hier?« Zu gern hätte Julien sie umfasst, auf sein Pferd gezerrt und mit sich genommen.
    »Ich musste hierherkommen, um zu sehen, was …« Ihre Stimme begann zu kippen, und sie blickte zu Boden. Ihre Hand lag inzwischen auf dem Widerrist des Pferdes, weiße Haut auf braunem Fell. Zwei Nägel waren bis ins Nagelbett eingerissen und bläulich verfärbt.
    »Hat dir irgendwer etwas getan? Geht es dir gut?«, entfuhr es Julien.
    Bérénice schüttelte den Kopf, dann nickte sie.
    Es war zum Aus-der-Haut-Fahren. Wie sollte er aus diesen Aussagen schlau werden?
    »Was ist los?«, flüsterte er und bemühte sich, seiner Stimme Nachdruck zu verleihen. »Kann ich etwas für dich tun?«
    Sie sah auf. Ihr Blick war mit einem Mal stumpf und verharrte auf seinem Brustkorb. »Julien, sie haben gestern den Teufel beschworen. Normale Alchemie scheint ihnen nicht mehr zu reichen.«
    »Du musst hier weg, und zwar sofort.«
    »Ich weiß nichts mehr über meinen Mann. Gar nichts.«
    Julien trat einen Schritt näher und gab vor, sich das Pferd zu besehen, dem Bérénice inzwischen die Mähne zerwühlte. »Bring dich in Sicherheit. Er ist gefährlich …«
    »Selbst wenn. Sollte ich jetzt das Schloss verlassen, erregt es mehr Unruhe und Unwillen, als wenn ich noch ein oder zwei Tage bleibe. Ich habe gesagt, dass ich eine Weile da sein werde, das heißt, ich brauche einen guten Grund, das Schloss wieder zu verlassen.«
    »Gut«, sagte Julien und spürte, dass seine Gesichtszüge sich verhärteten. »Dann werde ich in Nantes einen Boten beauftragen, der eine Nachricht bringt, die angeblich von Gut Lemoine kommt und deine Anwesenheit dort erforderlich macht.« Er betrat den Stall, band

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