Sehnsucht
einem kichernden und Gute Nacht -Grüße rufenden Chor.
Andre lachte in sich hinein. »Was meinen die denn, wer ihnen glaubt, dass sie jetzt wirklich schlafen gehen?«
Sam lächelte. »Sie sind ziemlich leicht zu durchschauen.«
»Ich denke, manche Leute können es auch einfach nicht verstecken.« Amys Stimme war kühl und ihr scharfer Blick ließ Sam das Blut in die Wangen steigen. Er hasste das.
Er stand auf und ging in Richtung Tür. »Ich geh dann auch.«
Es war eigentlich viel zu früh, um ins Bett zu gehen, aber Sam war das egal. Er brauchte ein wenig Zeit für sich alleine, egal, was die anderen darüber dachten.
»Wir sehen uns dann morgen früh.«
Amy, Bo und Andre wünschten ihm eine gute Nacht. Draußen im Foyer drehte Sam sich um und fing Bos Blick auf. Sie starrten sich an und Sam war es unmöglich, sich loszureißen.
Da lag kein anzügliches Lächeln mehr auf Bos Gesicht wie noch wenige Stunden zuvor. Oder die mühsam beherrschte Lust, an die er sich schon fast gewöhnt hatte.
Was er in Bos Augen sah, war das Bedürfnis nach Nähe. Danach, dass jemand das Leben mit ihm teilte. Nach jemandem, der ihn verstand und akzeptierte, was er war.
Es war ein Verlangen, das Sam verstand, auch wenn es neu für ihn war. Er wandte sich ab und fühlte sich so einsam wie nie zuvor.
Kapitel 11
Die Träume kehrten diese Nacht dreimal wieder. Jedes Mal, wenn Sam die Augen schloss und sich auch nur ein wenig entspannte, spielte sich die Szene wieder in seinen Gedanken ab. Sex, Blut und Tod. Vergnügen und Horror vermischten sich, bis er nicht länger sagen konnte, was sein Herz so schmerzhaft pochen ließ.
Nachdem er das dritte Mal schweißgebadet aufgewacht war, schaltete Sam das Licht an und kauerte sich gegen das Kopfteil des Bettes. Er versuchte, das Bild des Mannes aus seinem Traum abzuschütteln, dessen Innereien über die Laken verstreut waren und dessen Blut in Bächen die seltsam undeutlich wirkenden Wände hinablief.
Die Zeit schlich dahin, während er hellwach und vor Anspannung zitternd dasaß, die Arme um die angezogenen Knie verschränkt. Als der erste Lichtstrahl durch die Vorhänge fiel, streckte er vorsichtig seine Glieder, zog sich an und ging nach unten.
Er war nicht überrascht, als er Andre halb auf dem Esstisch liegend vorfand. Zwei seiner Finger waren lose um den Henkel einer dampfenden Kaffeetasse geschlungen.
»Hey, Andre«, sagte Sam, während er den Raum durchquerte. »Wieder geträumt?«
Andre warf ihm einen verschlafenen Blick zu. »Hat mich die ganze Nacht wachgehalten. Vor einer Stunde oder so bin ich dann schließlich hier herunter gekommen. Macht eh keinen Unterschied, weil ich sowieso kein Auge zugemacht hab.«
»Kommt mir bekannt vor…« Sam schlurfte in die Küche und goss sich eine Tasse Kaffee ein. Gähnend schleppte er sich zurück ins Esszimmer und setzte sich Andre gegenüber.
»Also, was hast du geträumt?«, fragte Sam und nippte an dem schwarzen, starken Gebräu.
»Wieder das Gleiche. Alle sind tot und überall liegen Körperteile verstreut.« Andre stieß ein frustriertes Knurren aus.
»Das macht mich echt fertig. Ich hab vorher noch nie schlecht geträumt.«
Sam nickte. »Langsam zehrt das echt an den Nerven. Ich bin so oft aufgewacht, dass ich schließlich aufgegeben habe und wach dasaß bis es hell wurde.«
Andre sah ihn nachdenklich an. »Was passiert eigentlich in deinen Träumen, Sam?«
Sam wollte es jemandem erzählen und er nahm an, dass Andre es im Großen und Ganzen würde nachvollziehen können. Er hatte aber vor, bestimmte Details für sich zu behalten.
»Es beginnt immer als feuchter Traum«, sagte Sam und betrachtete einen Sprung im Rand seiner Tasse, damit er Andre nicht in die Augen sehen musste. »In der ersten Nacht habe ich geträumt, dass ich… du weißt schon, Sex hatte. Mit jemandem, den ich nicht sehen konnte. In der nächsten Nacht habe ich versucht, ih… ähm, die Person zu berühren. Meine Hand war mit Schuppen bedeckt und ich hatte lange Klauen.«
»Wow«, stieß Andre mit weit aufgerissen Augen hervor. »Ist ja echt fies.«
Sam lächelte grimmig. »Wart's ab, es wird noch besser. In den letzten zwei Nächten hab ich geträumt, dass ich nach dem Sex die Person, mit der ich geschlafen habe, umbringe. Ich habe sie mit diesen grässlichen Klauen einfach aufgeschlitzt, während ich noch in ihr war.«
Ein sichtbarer Schauer lief durch Andres Körper. »Oh, scheiße!«
»Mmmh.« Sam gähnte nochmals. Seine Kiefermuskeln
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