Sehnsucht
ausgesetzt und diese Gefühle zu haben, war ein riesiger Schock. Ich hatte keine Ahnung, wie ich damit umgehen sollte.«
Aus einem Impuls heraus streckte Sam seine Hand aus und griff nach Bos. Eine Welle von Glück durchflutete ihn, als Bos Finger sich zögerlich um seine legten.
»Wie bist du wieder mit Janine zusammengekommen?«
Bo seufzte. »Sie ist bei mir zu Hause aufgetaucht, einen Tag nachdem ich wieder aus New Orleans zurück war. Sie hat mir gesagt, dass sie ihren Job in Chicago aufgegeben hat. Sie würde die Stadt hassen und dass… und dass sie mich zu sehr vermisst hätte.«
»Also hast du sie gefragt, ob sie dich heiraten will, und geglaubt, es würde vielleicht diese Gefühle abtöten, die du nicht haben solltest.«
Bo lächelte gequält. »Eigentlich hat sie mir den Antrag gemacht. Genau da, auf der Türschwelle, noch mit ihrem Koffer in der Hand.«
Sam zog eine Augenbraue nach oben. »Wow. Muss wahre Liebe gewesen sein.« Er versuchte, nicht so eifersüchtig zu klingen, wie er sich fühlte.
Bo lachte, aber es klang scharf und bitter. »Das hab ich auch mal gedacht. Ich hab mich gefragt, ob sie mich jemals wirklich geliebt hat oder ich sie.«
»Aber du hast ihren Antrag angenommen«, bemerkte Sam. »Du hast sie geheiratet. Du musst etwas für sie gefühlt haben. Oder?«
»Das habe ich mir auch eingeredet.« Bo ließ Sams Hand los, lehnte sich zurück und starrte die Decke an. »Ich war davon überzeugt, dass ich sie aus Liebe geheiratet habe. Es hat mich all diese Zeit gekostet, um zu begreifen, dass der wahre Grund meine Angst vor dem war, was ich bin. Ich dachte, die Ehe würde das alles verschwinden lassen.«
»Und als es nicht so war, hast du geglaubt, Kinder würden das schaffen.« Sam blickte Bo mit einer seltsamen Mischung aus Ärger und Mitgefühl an. »Gab es noch andere?«
Bo schüttelte mit Nachdruck den Kopf.
»Niemals. Selbst als klar wurde, dass es zwischen uns nicht klappte, habe ich sie niemals betrogen.« Bo lächelte ihn traurig an. »Bis ich dir begegnet bin, meine ich. Dir wird die zweifelhafte Ehre zuteil, die einzige Person zu sein, die mich jemals dazu verführen konnte, meiner Frau untreu zu werden.«
Schuldgefühle rumorten in Sams Magen. Er sah zu Boden und seine Wangen wurden heiß. »Es tut mir leid.«
»Mir nicht.«
Sam hob seinen Blick und sah Bo scharf in die Augen. »Was?«
Bos Gesicht färbte sich rosa. »Vielleicht sollte es mir leid tun, aber das tut es nicht. Janine und ich sind uns schon seit Jahren fremd. Wir versuchen, höflich zu sein, wegen der Kinder. Wir reden nur noch das Notwendigste miteinander und schlafen schon seit einer Ewigkeit in getrennten Betten. Vielleicht ist das der letzte Anstoß, den wir beide brauchen, um mit unseren Leben weiterzumachen.«
Sam lächelte sein erstes aufrichtiges Lächeln seit einer gefühlten Ewigkeit. »Vielleicht ist es das.«
Bo erwiderte sein Lächeln. »Also, wann kommst du wieder zur Arbeit?«
»Wann immer du willst«, antwortete Sam und beobachtete dabei Bos Gesicht. »Ich muss Antworten finden, Bo. Auf das, was in Oleander House geschehen ist.«
Trauer erfüllte Bos Blick. »Du bist nicht zu Amys Beerdigung gekommen.«
»Es war besser so. Ich weiß, du glaubst, dass niemand mir die Schuld gibt«, sprach Sam weiter, bevor Bo protestieren konnte, »aber Andre muss mir zumindest ein wenig die Schuld geben, wenn es sonst schon keiner tut. Ich wollte ihn nicht in seiner Trauer stören. Oder dich.«
»Du hast unrecht, Sam«, sagte Bo leise. »Wir haben oft darüber gesprochen und glaub mir, er gibt dir in keiner Weise die Schuld. Er gibt sich selbst die Schuld für alles, weil Amy sich dort unwohl gefühlt hat und gehen wollte und er nicht.«
»Er konnte nicht wissen, was passieren würde.«
»Das konnte er nicht, nein. Und du auch nicht.«
Sam sah in Bos Augen und fühlte sich etwas besser. »Wieso hat es nicht mich verletzt? Ich habe es angegriffen. Ich war…« Er kam ins Stocken und suchte nach Worten, die das beschreiben konnten, was er empfunden hatte. »Ich habe das verdammte Ding gepackt. Es war in meinem Kopf , Bo. Wieso hat es mich nicht getötet?«
Wieso Amy und nicht mich?
Er hatte sich diese Frage unzählige Male gestellt und er hatte bisher keine Antwort darauf gefunden.
»Das ist es, worauf du eine Anwort suchst, nicht wahr? Wieso es dich in Ruhe gelassen und Amy getötet hat.« Bos Stimme war sanft und verständnisvoll.
Sam versuchte, den Kloß in seinem Hals herunterzuschlucken.
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