Sehnsucht der Unschuldigen
das anstellen mußte. Zum einen war endlich das vor langem beim Versand bestellte Nachthemd geliefert worden, und zum anderen hatte sie den halben Nachmittag im Schönheitssalon verbracht. Sie mußte nur geschickt zu Werke gehen.
Von Weihnachten hatte sie ja noch die Myrtenwachskerze übrig. Wenn sie dazu die Platte von Randy Travis auflegte und eine Flasche Cold Duck auf den Tisch stellte, war die Sache garantiert gelaufen. Junior wurde nach ein paar Gläsern immer romantisch. Im Bett würde er die Sache mit Billy T. und seinem verletzten Mannesstolz schnell vergessen, und sie wäre wieder ganz seine treue, liebende Gattin. Und wenn sie mal wieder einen Hausfreund fand, dann ließe sie sich bestimmt nicht mehr erwischen.
Darleen trat abrupt auf die Bremse. Die Regentropfen prasselten so dicht hernieder, daß sie den vor ihr quer über die Fahrbahn stehenden Wagen fast nicht gesehen hätte. Sie schlitterte über den Belag und kam Millimeter vor dem anderen Auto zum Stehen.
»Verdammte Scheiße!« Sie blinzelte durch die Scheibe, konnte aber niemanden sehen. Der Wagen stand wie verlassen da. Mit zitternden Fingern öffnete sie die Tür und stieg aus. Der Regen klatschte ihr das für teures Geld durchgestylte Haar sofort ins Gesicht. »Ach Mensch! Wie soll ich denn da meinen Mann zurückbekommen, wenn ich aussehe wie ein begossener Pudel?« schrie sie in die Sturzfluten hinaus. Na ja, sagte sie sich, vielleicht bekam er sogar Mitleid mit ihr, wenn er sie so durchnäßt sah. Aber dafür mußte sie erst heimkommen. Sie stemmte die Hände in die Hüften und trat wütend gegen die Reifen des verlassenen Wagens. »An dem Ding kommt doch kein Schwein vorbei!« Sie konnte ja immer umkehren und zu ihrer Mutter zurückfahren, doch diese Aussicht erschien ihr wenig verheißungsvoll. So ging sie trotz des Regens um den anderen Wagen herum. Vielleicht steckte ja der Schlüssel.
Sie schaute gerade durch das Seitenfenster, als ein Geräusch in ihrem Rücken sie aufschreckte. Das Herz sprang ihr bis in die Kehle, doch dann erkannte sie eine wohlvertraute Gestalt.
»Ich dachte mir schon, daß das dein Auto ist!« rief sie erleichtert. »Bei dem Mistwetter wäre ich fast reingerast. Junior hätte mir den Hals umgedreht, wenn sein Wagen auch nur einen Kratzer abgekriegt hätte.«
»Die Arbeit nehme ich ihm gern ab.«
Darleen sah das Radkreuz nicht, das ihr gegen die Stirn gedroschen wurde.
Das Licht flackerte bei jedem Blitzstrahl und ging schließlich nach einem besonders lauten Donnerschlag ganz aus. Caroline hatte sich bereits auf den Stromausfall vorbereitet und in jedem Zimmer brennende Kerzen und Öllampen aufgestellt.
Die plötzliche Dunkelheit störte sie nicht im geringsten. Im Gegenteil! Sie hoffte, die Telefonleitung würde auch noch durchschmoren, dann brauchte sie keine mitfühlenden oder neugierigen Anrufer mehr abzuwimmeln, die sie den ganzen Tag schon verfolgten.
Von der Veranda aus beobachtete sie das Gewitter, während Useless sich winselnd im Haus verkrochen hatte. Es war schon ein beeindruckendes Naturschauspiel. Ungehindert fegte der Wind über das Gras hinweg, rüttelte an den Fenstern und pfiff um die Ecken herum.
Caroline wußte nicht, ob diese Sturzfluten gut oder schlecht für die Ernte waren. Spätestens morgen beim Einkaufen erfuhr sie es ohnehin. Im Moment staunte sie nur ehrfürchtig und begnügte sich mit der Gewißheit, daß ihr das mit Kerzen erleuchtete Haus jederzeit Zuflucht gewährte.
Nein, Schutz, verbesserte sie sich sofort. Zuflucht hatte sie nicht mehr nötig, denn sie floh vor nichts mehr. Mit dem Versteckspiel von früher war es vorbei. Zum ersten Mal in ihrem Leben genoß sie das Hier und Jetzt. Oder versuchte es zumindest.
Heute morgen hatte sie sich ja noch vor Tucker versteckt. Sie hatte den Geschlechtsverkehr zugelassen, aber der Intimität hatte sie sich entzogen. Sie hatte sich beweisen müssen, daß sie lebte, und hatte zugleich Angst davor gehabt, es auch zu empfinden.
Aber sie beide waren doch voll auf ihre Kosten gekommen. Er hatte sie gewollt, sie hatte ihn gewollt – was machte sie sich da noch Gedanken?
Caroline schloß die Augen und holte tief Luft. Wieder zuckte ein Blitz auf. Der Hund heulte mit dem Donnerschlag los.
»Ist schon gut, Useless, ich rette dich ja!« lachte sie.
Sie fand ihn im Salon, wo seine Schnauze unter der Couchdecke herausragte. Mit beschwichtigenden Worten nahm sie das zitternde Tier in die Arme und ging mit ihm wie mit einem Baby auf und
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