Sehnsucht erwacht auf Mallorca
Altstadt und schlenderte durch enge Gassen in die Richtung, in der sie den Hafen vermutete. Es war noch nicht einmal zehn Uhr morgens, und es war bereits sehr heiß. Die hell verputzen Hauswände warfen das Sonnenlicht zurück, doch zum Glück lag das Erdgeschoss in den engen Gassen oft im Schatten. Die Fensterläden waren wegen der Hitze geschlossen, und wo auch immer sich die Gelegenheit bot, hatten die Bewohner auf Balkonen und an Mauern blühende und duftende Pflanzen gesät. Auf einem Plaza fand gerade ein Markt statt, und Brynne ließ sich einfach von der Menschenmenge treiben. Obst und Gemüse wurden hier verkauft, dazu Mandeln und Oliven von der Insel und Souvenirs für Touristen. Sie kaufte sich etwas Brot und Käse, dazu Oliven und eine Flasche Wasser für ihr Mittagessen.
Schließlich erreichte sie die Uferpromenade und war froh über die frische Brise, die vom Meer herüberwehte. Die Avenida de Gabriel Roca war eine breite, von Palmen gesäumte Prachtstraße. Brynne war direkt am Jachthafen herausgekommen und bewunderte die Luxusschiffe, die dort vertäut lagen. Die meisten waren größer als ihre Wohnung zu Hause, und mehrere von ihnen hatten einen Hubschrauberlandeplatz auf dem Deck.
Der Jachthafen lag nur wenige Hundert Meter von der Kathedrale La Seu entfernt. In dem Park vor der Kirche setzte sie sich auf eine Bank und packte Brot, Käse und Oliven aus. Sie genoss es, wieder einmal in einer lebendigen Großstadt zu sein, und die Touristen, die gemütlich an ihr vorbeischlenderten, störten sie überhaupt nicht. Nachdem sie sich gestärkt hatte, besichtigte sie die Kathedrale. Michael hätte zwar Spaß daran gehabt, sich die Jachten anzuschauen, aber die Kathedrale hätte ihn nicht im Geringsten interessiert. Im Inneren der Kirche war es angenehm kühl. Langsam schlenderte sie durch das große Kirchenschiff, bis sie vor einer großen Rosette an der Ostseite der Kathedrale stehen blieb. Sie bewunderte die Farbenpracht, doch als sie die Erklärung dazu in dem Reiseführer las, den sie sich an der Kasse gekauft hatte, spürte sie plötzlich, wie einsam sie sich fühlte, weil sie ganz allein über diese Schönheit staunen musste.
Langsam machte sie sich auf den Rückweg zum Auto. Es war bereits weit nach Mittag, und die Straßen hatten sich wegen der Siesta merklich geleert. Die meisten Geschäfte waren geschlossen, aber auf den Plazas gab es genügend Cafés, die Kaffee und Erfrischungen anboten. Müde und erschöpft nahm Brynne im Schatten einer Platane Platz und bestellte sich einen cortado, einen Espresso mit süßer Kondensmilch. In dem dichten Laub über ihrem Kopf machten die Spatzen einen ungeheuren Lärm, sodass das Stimmengewirr der anderen Gäste kaum noch zu hören war.
Sie fragte sich, was Alejandro wohl an diesem Tag mit seinem Sohn unternahm. Sie hoffte für beide, dass er bei seinen Plänen auf das Alter des Jungen geachtet hatte.
Natürlich geht es mich nichts an, dachte sie, nachdem sie bezahlt hatte und sich auf die Suche nach dem Wagen machte. Aber die Zeit vergeht, und wenn ich wüsste, dass Michael glücklich ist, würde ich mit einem besseren Gefühl nach Hause fahren. Sie fand das Auto, nachdem ihr ein freundlicher Mallorquiner in gebrochenem Englisch den Weg beschrieben hatte.
Für den Rückweg wählte sie nicht den direkten Weg, sondern nahm die Route über Andratx im Westen der Insel. Rechts ragten direkt neben ihr schroffe Felsen empor, während es links steil nach unten ging. Hin und wieder schlängelten sich Schotterpisten zum Meer oder zu einer versteckten Finca hinunter. Kiefern und Aloe säumten die Berghänge, und tief unten leuchtete das Meer in freundlichem Blau. Kurz hinter Estellencs hielt Brynne noch einmal an und besichtigte einen alten Rundturm, der hoch über dem Meer aufragte. Der Weg dorthin führte über ein kleines Tal und war nur durch eine wackelige Holzbrüstung gesichert. Von hier oben hatte man einen großartigen Ausblick über die Küste und auf die Serra de Tramuntana. In der Luft hing der würzige Duft der Kiefern, und eine leichte Brise liebkoste ihr erhitztes Gesicht.
Kurz nach fünf erreichte sie die Villa und stellte fest, dass Michael und Alejandro kurz vor ihr angekommen waren. Ihre Sorgen waren völlig unbegründet gewesen, denn Michael erzählte begeistert von dem Wasserpark, in dem er mit seinem Vater gewesen war.
Sie konnte sich den arroganten zurückhaltenden Alejandro Santiago nur schwer zusammen mit Touristen und tobenden Kindern
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