Sehnsucht FC Bayern
auch.
Was meiner Meinung nach in der Diskussion bisher zu kurz kam, ist eine nüchterne Bestandsaufnahme darüber, dass es nicht den einen maßgeblichen Grund dafür gibt, warum die Stimmung nicht so ist wie erhofft und die Gästefans manchmal stimmungsvoller erscheinen. Die Summe vieler Aspekte macht es aus. Ein Versuch ohne Gewichtung in der Reihenfolge:
Auswärtsfans sind, relativ betrachtet, eigentlich immer etwas lauter. Sie müssen sich als Minderheit mehr anstrengen, um sich akustisch zu behaupten. Dieses Sich-Behaupten auf fremdem Terrain hat einen zusätzlichen Reiz. Außerdem stehen Auswärtsfans deutlich komprimierter zusammen.
Die Bayern-Fans sind hingegen auf zwei zwei Blöcke verteilt. Das sorgt für einen doppelten Support im Norden und Süden. Eine an sich gute Idee. Sie geht aber zu Lasten eines großen, stimmgewaltigen Fanblocks und seiner mitreißenden Wirkung, der sich außerdem auch noch wesentlich leichter koordinieren lässt.
In der Allianz-Arena hat der Auswärtsblock eine akustisch verstärkende Wirkung durch die Plätze unmittelbar unter dem Dach und nahe der Rückwand. Beides fehlt in den Bayern-Fanblöcken.
Grundsätzlich gilt in allen Profiligen, dass die Stimmung tendenziell bei den Fans am stärksten ausgeprägt ist, deren Vereine sich im sportlichen oder wirtschaftlichen Grenzbereich bewegen. Hier haben Fans – oft als letztes Mittel – das Gefühl, durch eigenes, aktives Handeln Einfluss auf das Spielgeschehen auszuüben. Diese Notwendigkeit ist beim FC Bayern selten gegeben.
Bayern-Fans sind insgesamt erfolgsverwöhnt. Das heißt nicht, dass sie weniger leidenschaftlich bei der Sache sind, sondern dass sie oft die Gewissheit haben, dass bei der sportlichen Qualität des Kaders nicht unbedingt lautstarke Unterstützung nötig ist, um erfolgreich zu sein. Es fehlt somit das »flehentliche Element« bei der Anfeuerung.
Bayern-Fans sind kritisch. Selten reicht einfach nur ein Sieg. Der FCB hat stets großen Wert auf ein gepflegtes, technisch anspruchsvolles Spiel gelegt. Anfeuerung führt jedoch nur über den Kampf zum Sieg, nicht über den Hackentrick.
Bayern München hat sein Kontingent an Jahreskarten bewusst begrenzt. Eine kluge Entscheidung, um möglichst vielen Fans den Besuch von Heimspielen zu ermöglichen. Dies hat aber einen recht hohen Anteil an seltenen oder gar erstmaligen Besuchern zur Folge, die mit den Ritualen, Melodien und Texten der Anfeuerung nicht vertraut sind.
Dieser Effekt wird durch jene Heimspiel-Besucher verstärkt, die angesichts der Attraktivität des Bauwerks, des dauerhaft sportlichen Erfolgs der Mannschaft und der knapp verfügbaren Tickets einem Spiel als Touristen oder aus Event-Gründen beiwohnen.
Vergleichsweise restriktive Vorschriften in der Stadionordnung wie die maximale Stocklänge der Fahnen oder die Brandschutzerfordernisse bei Choreografie-Material hemmen so manche Kreativität der Fanszene.
Zu guter Letzt scheint es mir auch eine Frage der Mentalität zu sein. Man mag mich kritisieren, aber ich behaupte, dass Hessen oder Rheinländer etwas schneller zum Gesang in der Masse neigen als Bayern.
Persönlich gehe ich ja davon aus, dass sich die Anfeuerung für die eigene Mannschaft tatsächlich leistungsfördernd auswirkt. Nur zu gerne würde ich wissen, ob dies auch tatsächlich der Fall ist. Stumpft ein Spieler nach dem soundsovielten Ligaspiel nicht vielleicht ab, wenn er aus den Kurven, die seit Anbrechen des allgemeinen Arena-Zeitalters schon längst keine Kurven mehr sind, angetrieben wird? Wahrscheinlich ist das auch von Spieler zu Spieler unterschiedlich. Andererseits: Wer gäbe es gegenüber den eigenen Fans zu, dass ihn lautstarke Unterstützung womöglich gar in der Konzentration stört oder sich die zehntausendfach wahrgenommene Erwartungshaltung der Masse leistungshemmend auswirkt? Und welcher Support bringt tatsächlich am meisten? Der textlastige, oft monotone Dauer-Support der Ultras oder die sporadische Stakkato-Anfeuerung, die sich am Spielverlauf orientiert? Fragen über Fragen. Wenn ich mal wieder die Toleranz meiner Partnerinnen während der Saison erneut überstrapaziert hatte und mir die Frauen-Klassikerfrage (»Warum gehst du denn schon wieder ins Stadion?«) gestellt wird, dann antworte ich dennoch mit kindlichem Gemüt dermaßen entwaffnend naiv, dass man mir kaum böse sein kann: »Die Mannschaft braucht mich jetzt!«
Was die Reisen im UEFA-Cup anbelangt, so konnte
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